Isch 'abe gar kein Untertitel...

Militanter Vater

Ich muss gestehen, einer dieser militanten Väter zu sein. Einer von denen, die so’nen Hals kriegen, wenn irgendwelche Mittvierziger über Familien mit Kindern ablästern. Ehrlich, es soll mir egal sein, ob jemand Kinder möchte oder nicht – ich kann das durchaus nachvollziehen. Wenn jemand mit Kindern nicht klarkommt, durch menschliche Organe verursachter Lautstärke nicht ertragen kann oder einfach diese elenden Kaputtmacher nicht in seiner Bude haben will.

Kann ich wirklich verstehen. Ich bin beispielsweise passionierter Hundehasser. Wenn ich unsere Nachbarn sehe, die ihr kleines Hundilein fast Gassi tragen, dann könnte ich mich jedesmal auf dem Boden rollen vor Lachen. Wenn ich anderswo esse und eine feuchte Hundeschnauze stößt an mein Bein, könnte ich kotzen vor Ekel. Wenn ich in Hundescheiße trete, könnte ich schreien vor Wut. Wenn ich Hundehalter sagen höre, der tut ja nix, könnte ich rennen vor Angst, wenn so’n Köter nachts rumbellt, könnte ich ihm die Gurgel umdrehn.

Aber als einer dieser "Zeugunsstreiker" (O-Ton WDR) jammerte, seine Väterfreunde hätten jetzt keine Zeit mehr, sich mit ihm über den Kulturteil der Zeitung zu unterhalten, da ist mir der Draht aus der Mütze gesprungen. Da wird einem die bigotte Haltung so manches bequemen Bildungsbürgerleins klarer. Kultur ja, aber bitte schön in kleinen Häppchen per Tageszeitung serviert, ja nicht zu viel davon, sonst wird das labile Nervenkostüm ruiniert.

Besser kann man sich kaum in die Tasche lügen. Gibt es etwa höher anzurechnende Kulturleistungen, als einem Kind das Laufen und Sprechen beizubringen, ihm abends Geschichten vorzulesen, dabei zusammen die Bilder anzugucken und kleine Enten, Mäuse und Wolken zu zählen, mit ihm Musik (gerne auch "Peter und der Wolf", wenn es ihn beruhigt) anzuhören, gemeinsam mit ihm Lieder zu singen, mit ihm Bauklötze aufzutürmen, ihm das Schmatzen abzugewöhnen oder ihm zu zeigen, wie man Bilderbücher ausmalt?

Ist es wirklich schöner, Kritiken von ewig angepissten Kritikern zu lesen, von Berufsmisepetern, anstatt in die leuchtenden Augen eines Kindes zu sehen, welches es zum ersten Mal schafft, einen großen Bauklotzturm zu bauen? Ist es wirklich angenehmer sich überkünsteltes Operngeträller anzuhören, anstatt die zarte Stimme der eigenen Tochter bei einem naiven Kinderlied zu hören? Ist es wirklich schöner, drei Stunden am Tag die staubige Zeitung in sich reinzufressen, anstatt gemeinsam mit dem eigenen Sohn ein Kinderbuch zu lesen?

Aber bitte: Verkriech dich in deiner dunklen Welt und vergrab dich kulturell unter deinem Feuilleton wie der Obdachlose unter seiner aus dem Müll gekramten Bild-Zeitung.

2 Kommentare

  1. Herr Schwaner

    Bravo! Ich stimme dir in allen Punkten zu. Du triffst es auf den Punkt genau. Auch wenn es noch ein wenig dauen wird, bis ich meinen Sohn trällern hören werde. Aber auch mit erst 3 Tagen Vatererfahrung weiß ich genau, was Dich erzürnt hat.

  2. Hokey

    Die Fotos habe ich auch gesehen: Herzlichen Glückwunsch nachträglich! Ich glaube das Problem ist, dass die meisten Kinderlosen Kinder nur wahrnehmen, wenn sie laut sind und nicht wenn sie still sind, konzentriert sind, spielen, malen oder sonstwas machen.

    In der S-Bahn fällt der sechs Monate alte Schreihals eben mehr auf als meine Tochter, die gerade wieder einen Kran entdeckt hat, oder darüber grübelt, wer [url=http://blog.blokey.de/index.php?/archives/270-Kindermund.html]Taschentücher[/url] auf den Boden wirft.

    Ich glaube, da liegt eines der häufigsten Mißverständnisse: Das Kinder nur fordern und brauchen, aber nichts geben. Das stimmt einfach nicht.

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