Noch anderthalb Stunden bis das Effie-Praktikumsseminar startet. Diese
Woche sollen wir den schon fertigen Unterrichtsverlauf diskutieren.
Viel Diskussion wird es da wohl kaum geben – uns fehlt einfach die
Praxis, um einschätzen zu können, was zu viel, was zu wenig, was gut
ankommt, was schlecht ankommt (aber vielleicht gut wirkt).

Lediglich die "konservativen" Studenten, also die, die ihren
zukünftigen Unterricht haargenau so gestalten wollen, wie sie ihn an

ihrer Schule kennengelernt haben und keinen Deut anders, werden
vermutlich gegen das Konzept Einwände haben.

Das ging letzte Woche schon mit dem Lesetagebuch los. Das Lesetagebuch
ist ein Tagebuch, das die Schüler führen, während sie den Text lesen
(man könnte auch eine Leseblog machen…) und in welchem sie alles
festhalten, was ihnen wichtig erscheint. In meinen Augen eine sinnvolle
Sache, auch wenn ich selbige in Didaktikseminaren zuvor schon
einigemale mit einem müden Lächeln abgetan hatte. Aber diese Tagebücher
erlauben zum einen eine gewisse Kontrolle, ob Schüler überhaupt etwas
gelesen haben und sie geben den Schülern schnellen Zugriff auf wichtige
Informationen, ohne jedesmal den ganzent Originaltext durchblättern zu
müssen.

Aber da kam schon die erste Kritik. Das wäre zu frickelig…immer
dieses Klein-Klein…Text zerplücken…muss das denn immer sein…

Und heute kommen dann die "richtig" progressiven Sachen, wie Kugellager
und Stationenlernen dran. (Da müsste man sogar Tische und Stühle
umstellen…ich bin wirklich gespannt, wie das heute läuft…)

Manchmal verstehe ich meine Mitstudierenden nicht. Da haben wir die erste und letzte Gelegenheit einmal ungewohnte
Konzepte unter Anleitung auszuprobieren, mit Unterstützung von
jemandem, der darin Erfahrung hat und dann heißt es: Och nöö…wat der
Bauer nich‘ kennt… 

Gleiches vor drei Monaten als ich mich mit zwei Mitstudenten über
Gruppenunterricht austauschen wollte. Kaum hatte ich das Wort über die
Lippen gebracht, flogen zwei Fäuste auf den Tisch und wie aus einem
Munde hieß es: "Frontalunterricht ist das einzig Wahre!" Ich war
einigermaßen geschockt und perplex. Woher wissen die das? Was haben die, was ich nicht habe? Das
etwa schon alles ausprobiert? Auf meine Frage hin stellte sich heraus, dass
die eine Person gerade just ihr erstes Praktikum absolviert und die andere
immerhin schon ein Jahr als Assistant-Teacher in Irland war, aber eigentlich
nicht mehr Lehrer werden will…

Herr Rau hat in seinem Blog vor kurzem einen längeren Beitrag
zum Thema "Was ist ein professioneller Lehrer" geschrieben. Als
Non-Praktiker halte ich mich aus derartigen Diskussionen raus, aber
zumindest theoretisch bläut man uns hier in Pädagogikseminaren mit dem
Titel "Pädagogische Professionalität in der Unterrichtsentwicklung"
ein, dass man sich ein

gewisses Methodenrepertoire anschaffen sollte, um zumindest teilweise
Anspruch auf Professionalität erheben zu dürfen. Aber wie das, wenn man
immer nur am Altbekannten festhält und nicht wenigstens mal die
Nasenspitze in
ungewohnte Dinge steckt? Nicht mal ’nen kurzen Blick riskiert?

(Wo wir gerade bei ungwohnten Dingen sind: Izz
ist eine verflixt ungewohnte, progressive Band…mitreissende
Neuentdeckung der letzten Woche. Wer nicht als absolut konservativer
Spießer dastehen will, muss sich als Entschädigung für diesen
Riesentext ein paar Samples anhören!)