Guten Morgen lieber Leser! (Schon lange nicht mehr gehabt, diese Leseransprachekiste, was?) Der Kaffee schmeckt mir heute besonders gut, immerhin bin ich schon seit fünf Uhr quasi wach, was zum einen an den angenehmen Temperaturen hierzulande liegt, ärgerlicherseits aber auch durch marodierende Jugendliche forciert wurde, die, gegen jede wissenschaftliche Erkenntnis über das Schlafverhalten Jugendlicher in den Sommerferien, offensichtlich völlig fit, lebhaft rennend und lachend unser abgelegenes Gässchen heimsuchten. Der bloße Wunsch nach einer Wasserbomben-Kanone wächst in solchen Momenten zum Grundbedürfnis.

Ein menschliches Grundbedürfnis ist auch das nach Geschichten. Es geht uns nicht um Informationen, wie wir immer behaupten, das ist nur unser Feigenblatt für die Leistungsgesellschaft. In Wirklichkeit wollen wir einfach nur Geschichten erzählt bekommen. Am besten den ganzen Tag, schon morgens, wenn das Radio sich einschaltet, beim neuesten Klatsch und Tratsch auf der Arbeit und spätabends, wenn der Fernseher läuft oder das Internet… ääääh… ("an ist"? "surrt"? "uns verbindet"? "steht"?).

Sogar die ach so heiligen Nachrichten der Öffentlich Rechtlichen sind nichts anderes als Märchenstunden für Erwachsene. Heute haben sie eine verlorene Prinzessin entdeckt, die durch Witz und Heldenmut aus den Händen ihrer Häscher befreit wurde – die Filmrechte dürften spätestens morgen verhandelt werden. Niemand hier kennt diese Prinzessin wirklich, ihre ebenfalls befreiten Begleiter sind uns so egal, wie sie es uns auch sein könnte, aber Präsidenten und Fernsehbilder lassen sich besser mit einem hübschen Aschenputtel schmücken als mit den anderen vierzehn Lumpen. Und dann noch ein Happy End – das Fressen lassen sich auch die ersten Anstalten im Lande nicht entgehen.

Flatter hat sich gestern Gedanken zur Situation im Kontext des Wahlverfahrens bei Bundestagswahlen gemacht, welche vielleicht schon heute mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes hinfällig sind. Ich bin sehr gespannt auf dieses Urteil, habe aber erst heute davon erfahren – Märchenprinzessinnen scheinen wichtiger zu sein als demokratische Wahlverfahren. In der Türkei ist man schon einen Schritt weiter: Man verbietet gleich die Regierungspartei bzw. man versucht es. Ob die Türken sich auch lieber die Ohren zuhalten lassen und Geschichten von Sheherazade erzählt bekommen? Oder dräut ein Bürgerkrieg?

Oh, Frau kommt gerade wieder, Brötchen duften bis hier – ich gehe dann mal Omelett machen.