Manchmal glaube ich, ich lebe in einer Parallelwelt. Oder ich spiele eine unbedeutende Nebenrolle in einem schlechten Film, erscheine als unbedeutende Randfigur in einem grauenhaften Buch oder ich stehe auf einer Bühne als blinder und gleichzeitig stummer Statist in einem absurden Drama. Das Geschehen fließt an mir vorbei und die Absurdität ist nicht aufzuhalten, obwohl ihre Lösung bisweilen so einfach erscheint. Aber ich bin blind und stumm, bedeutungslos. Die anderen rennen, die Arme wild über dem Kopf wedelnd, kreuz und quer über die Bühne und versuchen, sich gegenseitig darin zu übertreffen, das hohe C zu kreischen, was noch nie einem gelang, aber auch niemanden abhält. Ich kann nichts sehen, nicht mitkreischen. Nur meine Ohren ziehen sich vor stechendem Schmerz zusammen, wenn das Geschrei der Sehenden und Kreischenden mein Trommefell skalpiert.

Heute stolziert pfauengleich der Sportausschuss des Bundestages mit mediengeiler Erektion auf Pferdehufen über die Bühne, die knochigen Arme in die Seite gestemmt und den Kopf in den Nacken gelegt, aus dem schwarzgelbrote Schlangen bis auf den nackten Pavianarsch klatschen. Wiehernd von "größter Sponsor", "nationales Anliegen", "die Repräsentation Deutschlands stehe auf dem Spiel" und "Konzeption für den WM-Sieg" möchten sie dem Bundestrainer ihre Macht ins Gesicht spritzen.

Probleme lösen sie dadurch nicht, aber ich bin ja nur blind und stumm… und Blinde können keine WM gucken… und die ganze Scheiße auch nicht mehr hören. Nur die warme Kotze, die meinen Leib herunterkriecht zeigt mir, dass ich wirklich lebe, dass das alles kein Theater ist.