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Schwarzes Design, schwarzes Blog, fehlt nur noch schwarzer Inhalt. Da passt ein Beitrag über die Böhsen Onkelz wie die Faust aufs Auge. Was treibt diese doch eher linke Type Hokey dazu, sich halbgaren Gröhlrock anzutun, der musikalisch fast auf Nullniveau steht und dessen Protagonisten verdächtigt werden, eine rechtsradikale Gesinnung aus kommerziellen Gründen zu kaschieren? Den Batti treibt diese Frage um, der kennt mich übrigens ganz gut, der weiß, warum er sich wundert.

Wirklich? Eine Antwort gibt es jetzt. Ich hatte ja schon im letzten Beitrag zum Thema darauf hingewiesen, dass ich die breite Hörerschaft der Onkelz eben nicht für rechtsradikal und stumpf halte, würde aber nicht bestreiten, dass es solche gibt. Ich würde auch nicht abstreiten, dass Onkelz-Konzerte von Rechtsradikalen besucht werden, denn das ist sogar ziemlich sicher, wenn man sich die CD „Live in Dortmund“ anhört. Denn dort richtet Sänger Kevin Russel deutliche Worte an die Neo-Nazis.

Der Nimbus des Verbotenen

Aber gerade der verruchte Ruf der Onkelz dürfte auf junge Hörer ihren Reiz ausüben. War für uns Jugendliche früher bestimmt ein Grund, Onkelz zu hören. Man wusste, die sind verboten, aber richtig krass im Sinne von radikal sind die nicht. Und wenn man dann lange genung diverse Alben durchgehört hatte, konnte man sich gar nicht erklären, warum die verboten sein sollten.

Die Texte genau auf dem Niveau, das sich selbst findenden männlichen Jugendlichen gefallen kann, irgendwo auf der Grenze zwischen „Leckt uns am Arsch“ und schwerer Melancholie. Diese Mischung machte die Onkelz in harten Zeiten dann auch attraktiv. Wenn um einen herum die Welt zusammenbricht, helfen Achtel-Powerchords und martialisch anmutende Zeilen wie „Ich will lieber stehend sterben“ doch ganz gut dabei, den  Alltagsmüll, die Unmenschlichkeit und die Heuchelei besser zu ertragen.

Glaubwürdigkeit

Eine Sache dabei ist: Die Jungs sind glaubwürdig. Deren Texte sind nicht aus Allgemeinplätzen zusammengestoppelt, bestenfalls aus schlechten Metaphern, und haben oft einen harten Kern. Hinter „Nur die Besten sterben jung“ versteckt sich eben keine postpubertäre Band, die mit großen Worten Sex, Drugs&Rock’nRoll imitiert, sondern die durch ebendieses einen Freund verloren hat. Wenn Sänger Kevin den Song „H“ ansingt, weiß jeder im Auditorium, dass er in diesem Lied seine Erfahrungen mit Heroin verarbeitet. Auch den meisten anderen Song hört man den tief persönlichen Bezug an, man kauft den Onkelz ab, dass sie all das wirklich erlebt und durchlebt haben. Ehrlichkeit bedeutet dann oft auch Direktheit, Deutlichkeit, Traurigkeit, damit muss man klarkommen.

Halten wir die Konkurrenz dagegen, die Hosen oder die Ärzte, dann sehen die daneben wie kleine Milchbuben aus. „Zehn kleine Jägermeister“, ja gut, ganz lustig. Das Altbierlied. Nett, aber alles nichts, was ein Alleinunterhalter nicht auch auf seiner Bontempi klimpern würde. Onkelz-Songs und Alleinunterhalter – das schließt sich aus, dafür sind die Songs zu persönlich.

Rechtsradikalismus

Ein leidiges Thema. Man muss sich immerzu rechtfertigen oder ellenlange Blogeinträge verfassen, wenn man sagt, dass man Onkelz hört. Ich verweise einfach mal auf diese Biographie von Laut.de. Mir persönlich ist in all den Jahren bislang noch kein rechtsradikales Lied der Onkelz untergekommen, obwohl ich durchaus in einigen onkelzfreundlichen Kreisen unterwegs bin. Das heißt nicht, dass es diese nicht gibt. Aber das zeigt, dass diese Songs in der Regel nicht die sind, die der gemeine Onkelz-Hörer hört und folglich auch nicht die sind, die man in erster Linie mit den Onkelz verbindet (wenn man denn Songs mit den Onkelz verbinden kann). Dadurch entsteht ein Missverhältnis in der Wahrnehmung zwischen Onkelz-Hörern und Nicht-Onkelz-Hörern, weil letztere die Onkelz (und deren Hörer) nach dem öffentlichen Klischee beurteilen, erstere dagegen die Onkelz auch in ihren Anti-Rechts-Songs kennen und vor allem wissen, dass ganz andere Songs für die Onkelz-Gemeinde wichtig sind.

Wenn man einen Onkelz-Fan auf einer Party trifft wird der ganz gewiss nicht fragen, wie man denn „Türken raus“ fände, sondern man wird sich mit ihm über „Deutschland im Herbst„, „Wenn wir einmal Engel sind“ oder „Heilige Lieder“ unterhalten. Als ich einmal wirklich auf rechte Onkelz-Fans traf und eine Gitarre dabei hatte, wollten die harten Jungs von mir nicht „Türken raus“ gespielt bekommen, sondern „Ich bin in Dir„, „Für immer“ und „Wieder mal ’nen Tag verschenkt„. Solche Songs sind der gemeinsame Grund, auf dem die so verschiedenen Onkelz-Fans stehen, nicht die rechten Eskapaden der Frühzeit.

Rechtsradikalismus

Apropos Frühzeit. Ich habe ja ’nen pädagogischen Weg eingeschlagen, und ich bin fest der Überzeugung, dass Menschen Fehler machen, erkennen und sich und ihre Haltung ändern können. Und den Onkelz kaufe ich ihren Sinneswandel ab. Muss man nicht. Kann man aber. Siehe oben, da gibt es genug Argumente für eine Umkehr.

Man sollte dabei bedenken, dass die Onkelz gewissermaßen in einer blöden Situation stecken, weil man alle ihre Äußerungen gegen Rechtsradikalismus doch immer wieder gegen sie wendet mit dem Argument, das würden sie ja nur aus kommerziellen Gründen behaupten, im Kern seien sie rechts bis ins Mark. Ich kann den Onkelz nur bis vor die Stirn gucken, und solange sich das nicht ändert und ich die Gabe des Gedankenlesen geschenkt bekomme, neige ich dazu, ihnen zu glauben. Ich bin überzeugt, dass die verbitterte Haltung gegenüber der Presse genau aus diesem Nicht-glauben-wollen resultiert.

Alles in allem sind die Onkelz für mich keine Band, die in irgendeiner Art gefährlich sind. In meinen Augen sind das derbe, aber ehrliche Rocker. Prollig, von mir aus, nicht besonders intellektuell, dafür geradeheraus und für viele Jugendliche eine Band, die genau ihre Lebenslage, ihre Stimmung, ihre Gedanken trifft. „Gehasst, verdammt, vergöttert“ – damit haben die Onkelz ihre Position ziemlich gut selbst beschrieben. Vergöttert habe ich sie nie, aber gegeben haben sie mir in schweren Zeiten viel, dafür bin ich ihnen dankbar.

Tja, jetzt habe ich diesen ellenlangen Beitrag über eine Band geschrieben, die ich schon lange nicht mehr höre, weil mich die Musik als Musik ein wenig langweilt. Aber musste wohl mal sein. Beitrag zuende.