(Toter Fisch, einsam verreckt, abseits vom Schwarm. Foto: goodbyesai)

Liebe Journalisten,

falls sie es auch als Auszeichnung empfinden, einmal als "Sau" durch Kleinbloggersdorf getrieben zu werden, z.B. weil das heutzutage als Journalist einfach chic ist, dann halten Sie sich an folgende Schritte:

1.) Beschimpfen Sie Blogger als Journalisten. Egal, ob das der Realität entspricht oder nicht; egal, ob die das wollen oder nicht. Hüten Sie sich allerdings davor, Blogger mit Journalisten gleichzusetzen! Benutzen Sie lediglich pejorative Vergleiche und Metaphern. Vergessen Sie nicht, den Bloggern zu viel Freizeit, sprich: Faulheit, Arbeitslosigkeit und Bummelantentum, zu unterstellen.

2.) Setzen Sie Ihre persönlichen Werte über die der anderen: Benutzen Sie bekannte Stammtischanalogien wie die vom "Fliegenschwarm", um der imaginierten Gegenseite einen schlechten Geschmack zu unterstellen. Lassen Sie keinen Zweifel daran, dass sie in allen lebensweltlichen Belangen Deutungshoheit besitzen und die Bloggerbande mit Unkenntnis geschlagen ist.

3.) Benutzen Sie die Schwarmanalogie weiterhin, um der Blogosphäre eine breite Gemeinsamkeit zu unterstellen. Ignorieren Sie die Diversifizität, die Verwerfungen, die Feinheiten, die Diskussionskultur, schlichtweg: die Heterogenität dieser anonymen und aus mehreren tausend Individuen zusammengesetzte Gruppe. Verzichten Sie darauf hinzuweisen, dass der einzelne Blogger nie alle anderen wahrnimmt, sondern nur wenige einzelne; dass es nicht eine Diskussion oder Haltung zu bestimmten Themen gibt, sondern immer viele. Ihre Print-Leser werden es schlucken!

4.) Herumhacken auf Wikipedia ist ein absolutes must-have! Verschweigen Sie jedoch, wie oft Sie die Enzyklopädie schon selbst genutzt haben und wie oft ihr Blatt aus Wikipedia ohnen Nennung der Quelle abgeschrieben hat.

5.) Lassen Sie die rigide Selbstprüfung der Mainstreammedien hochleben! Ignorieren Sie dabei einfach für kurze Zeit journalistische Auswüchse wie die BILD-Zeitung und andere Schmierblätter, denen die Kontrollmechanismen scheißegal sind und die sich einen Dreck um Menschlichkeit und gute Sitte scheren. Blenden Sie kurzzeitig aus, wieviele unkontrollierte Pressemeldungen durch ihre Redaktion gejagt werden.

Generelles:

  • Ignorieren Sie den minderwertigen Inhalt des eigenen Internetauftritts wie blödsinnige Psychotests oder tittenschwere Bilderklickstrecken.
  • Gehen Sie mit keinem Wort auf die eigenen BILD-verdächtigen Schlagzeilen ein und sonnen sie sich in der Ehre, dass der Spiegel ihre Baumvernichtungsmaschinerie als Leitmedium unterboten hat.
  • Illustrieren Sie Ihren Artikel mit Bildern von Web-2.0-Diensten wie iStock für 1€ das Bild – da freut sich das knappe Budget. So beuten Sie den Feind aus, gegen den Sie gerade anschreiben!

Wichtig: Verteilen Sie ihren Artikel auf mindestens fünf Seiten, weil Sie Ihren Leser nicht zutrauen, einen Scrollbalken zu bedienen (und es bringt Klicks, Klicks, Klicks !!!).

Nun können Sie die Welle über sich rollen lassen. In wenigen Stunden wird auch ihr Artikel ganz doll diskutiert und Sie haben Ihre fifteen minutes of fame im Web 2.0! Mein Glückwunsch!