Da ham wa den
Salat. Kaum ist Jürgen Rüttgers sicher im Amt, da macht er den Mund auf und seine bislang von weißen Wahlkampfphrasen übertünchte Unkenntnis bahnt sich
ihren Weg. Einmal unzensiert quer durchs schwarze Hirn, über die Wirbelsäule ab in den Dünndarm, quer durch den Dickdarm, knapp den Blinddarm verfehlend über
den Blättermagen zurück zur Zunge und endlich ans Licht der Sonne mit der schwarzen Dummheit. Dieses „Licht der Sonne“ ist ein soeben gelaufenes WDR
5-Radiointerview, bei dem der NRW-Schwarzlord Jürgen Rüttgers sinngemäß folgendes zum Thema Studiengebühren zum Besten gab:

„Die Gebührenfreiheit des Studiums hat ja auch keinen großen Effekt, denn es gibt ja trotzdem so wenige Kinder aus Arbeiterhaushalten an der Uni.“

Peng! Kann mir mal einer erklären, was Jürgen Rüttgers die ganze Zeit gemacht hat, während wir hier in Deutschland über PISA diskutiert haben? Watte in die Ohren gestopft? Verlängerten Winterschlaf gehalten? Durchzug im Oberstübchen?

Noch einmal ganz langsam für Herrn Rüttgers. Quasi zum Ab- und Hinter-die-Ohren-Schreiben:

Lieber Herr Rüttgers, der Grund, warum Kinder aus sozial benachteiligten Schichten nicht auf die Uni gehen (und es in Folge ihrer Reformen auch nicht tun werden), ist nicht, dass sie keine Gebühren zahlen müssen. Vielmehr kommen diese Menschen, deren Lebenswege Ihnen, Herr Rüttgers, offensichtlich völlig fremd zu sein scheinen, überhaupt nicht dort an. Sie versacken in dem von Ihnen propagierten dreigliedrigen Schulsystem, wie uns Pisa zu berichten weiß:

„Etwa die Hälfte der Jugendlichen aus den höchsten Sozialschichtgruppen besuchen das Gymnasium, während nur wenig mehr als 10 Prozent der Jugendlichen aus Arbeiterfamilien in dieser Schulform anzutreffen sind. Das Pendant dazu ist die Hauptschule, die von fast 40 Prozent der Jugendlichen aus Arbeiterfamilien besucht wird, aber von nur gut 10 Prozent der Jugendlichen aus der Oberschicht.“

und

„Auch bei gleichen kognitiven Grundfähigkeiten ist die relative Chance, ein Gymnasium statt einer Realschule zu besuchen, für ein Kind aus den höchsten
Sozialschichtgruppen etwa dreimal größer als für ein Arbeiterkind.“

(Quelle:PISA 2000: DieStudie im Überblick. Grundlagen, Methoden, Ergebnisse (PDF/ 438kb))

Lieber „Landesvater“. Menschen, die ein Gymnasium bestenfalls von außen und aus Soap-Operas kennen, werden so gut wie nie auch nur den geringsten Grund haben, eine Universität zu betreten, es sei denn als Reinigungsfachkraft, Tafelwischer oder Hausmeister. Und da liegt die Krux, verehrter  Herr Rüttgers, in den Schulen und  nicht bei den Gebühren.

Geschätzter Herr Rüttgers, wie hoch auch immer Ihre Gebühren ausfallen werden, es werden deshalb niemals mehr Kinder aus sozial benachteiligten Schichten an die Unis kommen, wenn sie es gar nicht bis dahin schaffen. Und es werden noch weniger, wenn man ihnen bewusst Schuldenknüppel zwischen die Beine wirft. Und da spreche ich aus Erfahrung, Herr Rüttgers, denn ich komme aus eben einer solchen sozial benachteiligten Schicht. Aber das scheint Ihnen egal zu sein, vielleicht sogar ihr
Interesse. Mit Aufhebung der Schulbezirke haben Sie ja bereits einen weiteren Schritt zu Ghettoisierung Nordrhein-Westfalens eingeleitet…