Isch 'abe gar kein Untertitel...

Schäubles Schicksal

Schäuble

Wolle Schäuble trifft heute in der SZ auf Heribert Prantl zum Thema Integration, was ja aktuell auch ganz hübsch passt, weil seine Chefin Merkel sich vornherum auf Integrationsgipfeln herumtreibt, und hintenrum ihren Generalsekretär etwas von "deutscher Schicksalsgemeinschaft" faseln lässt.

Für Schäuble ist aber nicht etwa der 56-jährige Kauder für sein Geschwafel verantwortlich, sondern die Medienlandschaft ist Schuld, wenn Kauder Dünnpfiff hat:

Natürlich wäre es besser, es hätten nach dem Integrationsgipfel alle gesagt, das lassen wir jetzt einmal so stehen, gehen in Urlaub und arbeiten dann weiter auf der Basis des Besprochenen. Aber das erlaubt ja unsere Mediengesellschaft nicht, weil ja jeder gefragt wird und dann was sagt… (Süddeutsche)

4 Kommentare

  1. Simon

    Für mich geht diese spezielle Äußerung von Schäuble völlig in Ordnung. Über Juden hat er nichts gesagt, und Juden sind in diesem Zusammenhang sicher ein Spezialproblem. Aber im allgemeinen gebe ich ihm da Recht: Die Verbrechen wider die Menschlichkeit von vor 45 gehören zu unserer nationalen Identität. Wer Teil dieser Nation sein will, der muss sich (als deutscher Bürger, nicht als Privatperson, nicht als Mitglied einer Glaubensgemeinschaft) auch diesem Aspekt unserer Vergangenheit stellen. Und das birgt natürlich viel Verantwortung.

    Wenn ich dich richtig verstehe, dann ist deine Argumentation die, dass ausschließlich die direkten Verursacher Verantwortung übernehmen müssen. Das wären dann nur noch sehr wenige noch lebende alte Menschen. Ich und du, weit nach 45 geborene Deutsche, wären das nicht.

  2. Hokey

    Hallo Simon!

    Sicher, das mit den Juden ist eine polemische Überspitzung, wie ich ja auch geschrieben habe. Man muss aber nicht bei den Juden stehenbleiben, sondern könnte sie auch „harmloser“ auf Polen, Franzosen, Nordafrikaner, etc. ausweiten.

    Die Verantwortung für den Holocaust muss, meiner Meinung nach, eben weil es kaum mehr direkt Verantwortliche gibt, gesamtgesellschaftlich getragen werden. Und das wird sie ja auch in Form kollektiver Erinnerung, durch Geschichtsunterricht, in Form von Ausgleichszahlungen, Diskursen, Kunst im weitesten Sinne, Geschichtsschreibung (wissenschaftlicher und laienhafter), Ausstellungen, Gedenkstätten, etc. Darin sind die Einwanderer automatisch eingeschlossen.

    Sinn dieser Aktionen ist es, die Erinnerung an dieses besondere Verbrechen wach zu halten, zu warnen und darauf hinzuweisen, dass solche Gewaltakte nicht noch einmal vorkommen dürfen. Das ist unsere Verantwortung. Diese liegt aber nicht alleine und speziell bei der deutschen Nation, sondern aus meiner Sicht bei jedem vernunftbegabten Menschen, egal welcher Nationalität. Diese Haltung erwarte auch ich von vornherein von jedem Einwanderer. Sich gegen Genozid und Massenmord zu stellen, ist in meinen Augen nicht besonders deutsch, sondern selbstverständlich. Allerspätestens seit `45.

    Aber ich halte nichts davon, wie Schäuble, gelungene Integration von historischer Assimilation abhängig zu machen. „Nationale Identität“, eine phantastische Leerphrase, mit Geschichtswissen gleichzusetzen, verfehlt das Ziel. Wichtig ist, dass die Einwanderer im Hier und Jetzt unsere gesellschaftlichen Normen, Werte und Ziele teilen. Aber um diese zu kennen, müssen sie erst einmal hier sein; um am Diskurs, an Erinnerung, an unserer Geschichte zu partizipieren, müssen sie erst einmal hier vor Ort lernen, wie Deutschland ist und was wir Deutsche uns darunter vorstellen. Und das funktioniert nicht per Video-Fernkurs im Schnellverfahren, per Broschüre oder per Einbürgerungstest. Und auch nicht von heute auf morgen, schon gar nicht, wenn man bspw. aus Polen kommt und Geschichte aus ganz anderer Perspektive kennengelernt hat.

    Das ist das eine. Das andere ist, das Schäuble hier implizit wieder das Schreckensgespenst des muslimischen Terroristen (der a’la Ahmadineschad möglicherweise den Holocaust leugnet) als Vehikel nutzt, um Stimmung gegen muslimische Einwanderer generell zu machen und damit den nutzlosen Einbürgerungstest schmackhaft zu machen.

  3. Simon

    Hatte ich ja angedeutet, dass ich mit Schäuble im Allgemeinen aucht nicht zufrieden bin: Diese Blut-und-Erde-Schiene, die er manchmal fährt ist niveaulos, und seine Ideen über die Bundeswehr im Inlandseinsatz gefährlich und rechtstaatsfeindlich.

    Aber, wie gesagt, in dieser speziellen Sache gebe ich ihm (weiterhin) Recht: Wir Deutschen, nicht nur als Gesellschaft, sondern auch jeder einzelne Bürger, haben eine besondere Verantwortung aus der Zeit von vor 45. Damit meine ich nicht nur die kollektive, organisatorische Ebene (Schulunterricht usw.), und auch nicht die individuelle demokratische Grundeinstellung, die sowieso jeder mitbringen muss, nicht nur jeder Deutsche.

    Ich meine, die Verantwortung geht noch weiter. Wer Teil dieses Landes ist, der muss verstehen, dass sich ein Bürger Deutschlands nicht gleich einem Bürger von anderswo verhalten kann. Ich meine damit solche Sachen wie Auftreten im Ausland, Umgang mit religiösen Minderheiten, Bekämpfung revisionistischer Tendenzen. In diesen Bereichen müssen Deutsche eben einfach mehr leisten als andere. Und dabei kann es, meiner Meinung nach, einfach keine Rolle spielen, ob die Deutschen nun Neu- oder Alt-Deutsche sind.

    (Ganz allgemein darf das eigentlich sowieso keine Rolle spielen)

  4. Hokey

    Meine Position dazu findest Du in Deiner Klammer wieder: Das alles darf ganz allgemein keine Rolle spielen. Unabhängig von Nationalität und jeweiliger (National-)Geschichte. Meiner Meinung nach gilt das für den shintoistischen Japaner ebenso wie für katholische Italiener oder voodoogläubige Haitianer.

    Das Problem ist aber schon, dass es keine verbindlichen Regeln für korrektes Verhalten / verantwortliches Verhalten als Deutscher geben kann. Okay, ich bin mir sicher, dass Schäuble – hurga hurga – schnell welche aus dem Ärmel schütteln würde, wenn er dürfte.

    Gerade die, die sich selbst als Gralshüter des deutschen Wesens betrachten, der braune Sumpf, würden das völlig anders bewerten als bspw. die Generation um Joschka Fischer & Co. Okay, das sind Extreme, aber alleine für einen Schäuble dürfte ein steinewerfender Außenminister ein kaum zu überbietender Dorn im Auge gewesen sein, während andere eben genau da den aktiven Kampf gegen Revisionismus verorten würden. Wer von beiden verhält sich nun „richtig“ oder „verantwortlicher“?

    Es gibt zum Glück keinen allgemeinverbindlichen Katalog, wie der einzelne Deutsche sich verhalten muss und das ist gut so – ich könnte mir vorstellen, dass so etwas genau den entgegengesetzten Effekt haben könnte. Verantwortliches Verhalten muss sich aus einem gesellschaftlichen Konsens entwickeln und sich permanent im gesellschaftlichen Diskurs weiterentwickeln, aber nicht irgendwo von irgendwem eingefordert werden.

    Die Lichterketten nach Mölln und Solingen waren so ein Ausdruck dieses gesellschaftlichen Konsenses; dass unser ehrenhafter Bundeskanzler sich damals dort nicht hat blicken lassen, spricht Bände. Wer hat da verantwortlich gehandelt? Es gibt da kein Schwarz oder Weiß; höchstens aus der subjektiven Sicht Einzelner, in der Regel dominieren Grautöne.

    Aber wenn wir als gebürtige Deutsche, die in diesem Land sozialisiert wurden, und erst recht nicht unsere Politiker die Frage nach verantwortlichem „deutschen“ Handeln eindeutig beantworten können, wie kann man das von einem fremden Einwanderer stante pede verlangen?

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