Neue Dimensionen?

Zunächst einmal bin ich dankbar, in den letzten Tagen ein neues, höchst lesenswertes Blog entdeckt zu haben: Axonas – ein Versuch. Klasse!

Nun zum Thema. Alles beginnt mit einer, dem allgemeinen Empfinden nach, unverhältnismäßigen Attacke auf einen Blogger und alle schreien "Meinungsfreiheit". Es scheint zunächst "nur" eine der üblichen Blogsäue zu sein, einer dieser Fälle, in dem ein Blogger krumm angemacht wird und nach einem Spießrutenlauf durch Kleinbloggersdorf alles erledigt ist.

Aber diesmal ist das Ende der Fahnenstange damit nicht erreicht, das ist jetzt schon klar, wo der Lauf noch gar nicht beendet ist. Plötzlich melden sich Betroffene, denen das kommunikative Netz der Blogs erst ermöglicht, sich gegen einen vermeintlich klagewütigen Internetdienstleister zu sammeln, Erfahrungen auszutauschen, neue Informationen zu finden. Plötzlich gewinnt der Fall an Tiefe und es scheint, dass da jemand nicht nur vermutlich unbotmäßig Anwaltspost verschickt, sondern bis zum Hals im Dreck steckt, sich aber kritische Berichterstattung bislang durch rechtsanwaltlichen Feuerschutz vom Halse halten konnte.

Das Heise-Urteil wird nun durch die Blogs klassisch ausgehebelt. Wo in einem Forum schnell Aussagen von mehreren Personen gleichzeitig in einem Abwasch juristisch abgebügelt und zensiert werden können, indem man einfach den Forenbetreiber zur Kasse bittet, entziehen sich Blogs durch ihre Dynamik derartigen Bestreben. Mehr noch: durch das Wespennest Blogosphäre verstärken juristische Umtriebigkeiten dessen Kratzbürstigkeit. Was man ausmerzen wollte, kommt nun erst recht auf den Tisch und wie wir speziell im Fall Euroweb sehen, noch vieles mehr, das zunächst gar nicht zur Debatte stand.

Stößt die Blogosphäre hier in neue Dimensionen vor? Wird sie auf Dauer zu einer Art "Mittelstand" des Journalismus? Für Fälle, in denen sich etablierte Medien zu Schade sind, über fragwürdige Machenschaften mittelständischer Unternehmen zu recherchieren und zu berichten? Ein dynamisches Kommunikationsnetz, welches aufgrund seiner Geschwindigkeit und Breite auch in hartnäckigen Fällen funktioniert. Gleichzeitig erschweren Blogs unverhältnismäßige juristische Verfolgung, da das Risiko bei mehreren hundert Blogs steigt, dass irgendwo einer sitzt, der die Mittel hat, zurückzuschießen.

Auch das bleibt als bittere Erkenntnis: Dass die Drohung mit utopischen Geldforderungen ausreicht, um Otto Normalbürger mundtot zu machen. Hier führen Blogs mich persönlich in immer neue Dimensionen: sie dekonstruieren den objektiven, freien Journalismus und den Glauben an ein gerechtes, gleiches Rechtssystem, in welchem Gerechtigkeit unabhängig von den finanziellen Mitteln herrscht. Warum fällt mir nur gerade der Name "Zypries" ein…