Isch 'abe gar kein Untertitel...

Feindbild: Student

Vorsicht! Es wird ätzend.

Ich breche in Essen! Da muss ich mir erst in der Süddeutschen so eine Scheiße reinziehen, um dann in der Neuen Westfälischen das hier geboten zu bekommen:

(…) trainierten die Ordnungshüter diesmal die Räumung eines besetzten Hochschulrektorats. (…) Molotowcocktails flogen durch die Luft, und die heranstürmenden Beamten wurden mit einem Hagel von als Steinersatz dienenden Tennisbällen empfangen. (Neue Westfälische vom 25.10.2006) 

Dazu ein martialisches Foto mit brennenden Molotow-Cocktails.

HALLO! SEID IHR ALLE NOCH GANZ FIT IM OBERSTÜBCHEN??? 

Im Osten Deutschlands marodieren organisierte Neonazi-Milizen und hier in der Polizeischule in Stukenbrock meint man, man müsse trainieren, wie man gekonnt Studenten vermöbelt? Na klar! Studenten – die neue Gefahr für unsere Gesellschaft! 

Da wirft man auf unbescholtenen Schulhöfen echte Molotow-Cocktails, um zu beweisen, dass man das Studentenpack auch fein im Griff hat, während die Kollegen im Osten feige die Türen dicht machen, wenn nazigejagte Opfer an ihre Scheiben trommeln, um nicht krankenhausreif geschlagen zu werden. Und die Stadt findet das vermutlich recht prima, bekommt sie doch pro Einsatz satte 3.500 Euro zugesteckt. Na das lohnt sich doch mal!

Ich KOTZE! Ausgerechnet die Generation, der man sonst immer wieder vorwirft, so angepasst und leistungsbereit zu sein, stigmatisiert man hier vor Polizeischülern als Randalierer von OWL. Klaro! Studenten sind alle Autonome, haben immer ein paar Wackersteine im Rucksack und tragen den Molli stets griffbereit am Gürtel. Das ist Uni pur.

Und die Neue Westfälische findet das ganz prima, aber sowas von! Kein Wort der Kritik, kein Wort, dass diese Übung, die man wohl besser Demonstration nennen sollte (bei der Gelegenheit könnten die Stukenbrocker Polizeilehrer sich mal Inspiration in Nordkorea holen – die kennen sich aus mit demonstrativen Akten), wohl im Zusammenhang mit dem neuen "Hochschulfreiheitsgesetz" in NRW steht. Da ging wohl irgendwem so feste der Kackstift, dass er sich gedacht hat, er müsse mal zeigen, was die Polizei so alles kann. Na, Mollis schmeißen können sie. Hat bestimmt Spaß gemacht.

"Hochschulfreiheitsgesetz" ist übrigens ganz Neusprech im Sinne Orwells. Die Freiheit wird eher eingeschränkt und die Hochschulen zum Büttel der Wirtschaft, studentisches Mitspracherecht ausgeschlossen. Wenn "Freiheit" wirklich "weniger Demokratie " bedeutet, dann will ich lieber unfrei sein. 

Man mag von der Rektoratssbesetzung und den Bränden an der Uni halten was man will, aber sich daraus das polizeiliche Feindbild "Student" zu stricken, ist das Erbärmlichste, was ich bislang in dieser Richtung gehört haben. War aber bestimmt toll für die Polizeischüler, dass sie wenigsten einmal im Leben so tun durften, als hätten sie was Anständiges gelernt…

2 Kommentare

  1. kiesow

    ich nehme mal absichtlich die gegenposition ein …

    als ausbilder bei der polizei ist man natürlich seinen schülern gegenüber verpflichtet.
    klar ist: es wird zu demonstrationen der studentenschaft kommen und dabei wird sicherlich auch das eine oder andere rektorat besetzt. auch wird der eine oder andere rektor dumm genug sein, das rektorat von der polizei räumen zu lassen.
    da er über das hausrecht verfügt, muss die polizei seinem „hilferuf“ auch nachkommen. als verantwortungsvoller ausbilder trainiert man aber logischerweise nicht nur das best-case-szenario „einmal bescheid sagen und die studenten gehen freiwillig“, sondern auch das worst-case-szenario. alleine schon, damit man sich hinterher nicht vorwerfen lassen muss, das man solche dinge vorher nicht geübt hat und es deshalb zu fehlern kam.
    außerdem ist es prinzipiell egal, ob man nun studenten, hausbesetzer, autonome oder die ach so bösen (ironie!) islamisten als übeltäter nimmt. kann man beliebig austauschen.

    da die polizisten im gehobenen polizeidienst (der mittlere ist in NRW praktisch abgeschafft) ebenfalls studieren müssen (FH), kann ich mir nicht vorstellen, das es bei denen ein feindbild „student“ gibt.

  2. Hokey

    Sogar bei der Bundeswehr war man zu meiner Zeit so clever, und hat Blauland gegen Grünland antreten lassen, anstatt die Nato auf Russland zu hetzen. Wenn die Kombattanten austauschbar sind, kann man auch gleich auf spezifische Bezeichnungen verzichten.

    Und ich denke, dass es aus gruppenpsychologischer Sicht schon einen Unterschied macht, ob man als Polizist umgeben von Polizisten studiert, oder mit dem autonomen Mob. Alleine zwischen den handelsüblichen Studiengängen gibt es schon genug Vorurteile – wie also erst, wenn noch Berufsspezifika und dazugehöriges Ethos dazukommen.

    Das ist im Prinzip ein ganz normaler Vorgang: sobald man sich einer Gruppe zugehörig fühlt (Polizisten, Lehrer, Manager,…) wertet man vergleichbare Gruppen ab, dagegen ist niemand gefeit. Man muss dies allerdings nicht in handfesten Übungen manifestieren – ich verweise nochmal auf Blauland gegen Grünland. Anspielungen auf Benno Ohnesorg und Co. spare ich mir, die Zeiten mögen sich diesbezüglich geändert haben. Meine Hand würde ich dafür im Zweifelsfall allerdings nicht ins Feuer legen.

    Dazu kommt dann noch der interessant gewählte Zeitpunkt zur Einführung des „Hochschulfreiheitsgesetzes“. Das stinkt alles schon ziemlich, oder besser: unziemlich.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

© 2024 Hokeys Blog

Theme von Anders NorénHoch ↑