(Dieser Eintrag wurde per Hand aus meinem alten 20Six-Blog kopiert. Formatierungen und Kommentare werden nachträglich nicht angepasst.) 

Jetzt ist es raus. Die Zwei-Klassen-Bildung lebe hoch! Studiengebühren
sind nun Ländersache, die ersten Finanzminister reiben sich speichelnd
die Hände und spucken mit fadenscheinigen Argumenten gegen die
"Sozis". (Nein! Nicht die SPD ist gemeint. Es wird Zeit, dass man das
Wort "sozial" von seiner politischen Bedeutung endgültig löst und ihm
wieder seine unverfälschte Bedeutung beimisst.)

Wieso soll der arme Schichtarbeiter dem reichen Zahnarzt sein Studium bezahlen?

Vielleicht, weil der Medizin-Student eine arme Socke ist?  Weil er
eben keine 10.000€ Monatsgehalt bezieht? Vielleicht, weil er später von
seinem "dicken" Gehalt ordentlich in die Sozialkassen einzahlt und dem
Facharbeiter die Sozialhilfe mitzahlt? Weil auch Medizin-Studenten (und
Jura-Studenten, gleichwie BWLer und Geistestwissenschaftler) aus armen
Haushalten kommen (dürfen sollten)?  Was ist, wenn der Sohn oder
die Tochter des Schichtarbeiters, der sich gerade mit einem Einkommen
über Wasser halten kann, weil seine Frau arbeitslos ist, oder sich
(Schande über sie!) um ein Kind kümmern muss, Mediziner werden will?
Was würde der Schichtarbeiter dann sagen?

Er würde feststellen, dass er ein Unterschichtarbeiter ist, einer der nach der Einführung von Gebühren erst recht dem
reichen Studenten das Leben versüßt, denn jetzt werden seine Steuern
tatsächlich nur noch für Studenten reicher Haushalte verwendet. Die
anderen werden schön rausgehalten, abgeschreckt. Denn niemand
verschuldet sich in unsicheren Zeiten gerne schon vor seiner Ausbildung.

Kinder aus ärmeren Haushalten müssen dann nämlich sowohl Bafög beziehen
als auch Kredite für die Gebühren aufnehmen. Da kommen schnell mehrere
zehntausend Euro zusammen, die schon vor Berufsstart angehäuft
werden.  Ohne ein wirklich gutes
und ausgereiftes Stipendiensystem wird sich jeder finanziell unsichere
Schüler von der Existenzgefahr Studium fernhalten. Umso erstaunlicher,
dass die Gebühren schon zum nächsten Wintersemester eingeführt werden
sollen.

Zudem besteht für Kinder aus ärmeren Haushalten ein großer Druck,
auszuziehen. Die bekommen sehr wohl mit, wie es finanziell um ihre
Familie steht. Den Eltern dann noch das zusätzliche Risiko des Studium
aufzuhalsen, wäre in diesem Fall absurd. Die meisten werden sich für
eine "sichere" Lehre entscheiden (mit dem Effekt, dass für Real- und
Hauptschüler noch weniger Stellen zur Verfügung stehen) – die soziale
Schere wird gnadenlos weiterschneiden.

Was hat man aus Pisa gelernt?

PISA beweist, dass die Bildungskluft zwischen sozial schlechter
Gestellten und den sozial besser Gestellten in Deutschland sehr groß
ist. Schüler, die vom Elternhaus aus keinen guten Zugang zu
Bildungsgütern haben, werden ausgesiebt, fallengelassen und finden sich
irgendwann in der Hauptschule wieder. Und bringen dort denkbar
schlechteste Leistungen. Umgekehrt läuft es fast nie, das Verhältnis
der Absteiger zu den Aufsteigern, die dann in eine höhere Schulform
wechseln, steht 10:1.

Und sollte sich doch einer diese Verfemten bis zum Abitur hochackern,
dann stehen ihm in Form von Studiengebühren neue Hürden im Weg. Noch
weniger Menschen aus unteren Schichten werden die Gelegenheit
ergreifen, den höchsten Bildungsweg einzuschlagen. Studium wird ein
Privileg der Geldelite sein. Entweder hat man Pisa nicht verstanden
oder sich über das Ergebnis gefreut – anders kann ich mir die
Diskussion um Studiengebühren nicht erklären. Offensichtlich will man
die "armen Schweine" bewusst von "oben" fernhalten.

Sollen Studenten doch jeden Monat 100€ sparen, dann geht das schon!

Da ist mir ja bald die Hutschnur geplatzt!

Ich habe mehrere Jahre auf 14qm gelebt und mich hauptsächlich von
Toastbrot und Salami ernährt, der Asta-Beitrag von ca.120€ zu Beginn
jedes Semesters war schon ein harter Brocken, von Büchern und
Kopiergeld ganz zu schweigen. Am Ende jeden Monats war mein Konto auf
Null. Wie bitte 100€ sparen?
Und was hätte ich gemacht als mein Monitor kaputt ging? Betteln? Die
Uni fragen, ob ich kurzfristig meine Studiengebühren zurückbekomme?

Aber unsere überversorgten Politiker haben mit 100€ ja offensichtlich
keine Probleme. Da glaubt ein CSU-Politiker, man könne ja zweimal im
Monat Nachhilfe geben, dann wäre das Geld schon wieder drin. Klar, im
Land wo Milch und Honig fließen, bekommt man 50€ pro Nachhilfestunde,
aber nicht in Deutschland! Zudem wird es nicht bei 500€ bleiben, die
Gebühr soll schließlich schrittweise angehoben werden.

Aber bitte: Die Suppe darf meine Generation
in ein paar Jahren auslöffeln… wenn wir die Besten fein nach
finanziellen Aspekten aussortiert haben (so langsam glaube ich wirklich
daran, dass das eine typisch deutsche Eigenschaft ist) und Typen wie
George W.Bush über unsere Uniflure trotteln. Denn wer bezahlt, bekommt
auch…

28.1.05 16:48, kommentieren
Noch so ein Schwachsinn…

Studenten sind ja dank der Studiengebühren Kunden und können jetzt auch Forderungen stellen.

Aha! So sieht man das auf der Politkerseite: Ansprüche stellen
darf nur, wer zahlt. Alles wird besser, schöner und runder mit
Studiengebühren, der Student habe immense Vorteile von derartigen
Gebühren. Um es klar zu sagen: das ist reine Augenwischerei. Man muss
es sich mal in der Praxis vorstellen:

* an der Lehre (sprich: der
didaktischen Unfähigkeit) einiger Professoren/Lehrbeauftragten wird
keine Gebühr der Welt etwas ändern. Das ist aber entscheidend bei der Frage, ob ich etwas lerne oder nicht.

* die rechtliche Situation, d.h. das was das Recht dem Studenten an
Möglichkeiten des Protests zubilligt, wird sich mit der Zahlung einer
Gebühr nicht ändern. Das bedeutet, der Student unterliegt der gleichen
rechtlichen Situation, wie vorher. Seine Position gegenüber der Uni und
Lehrenden ist dieselbe.

* Ansprüche müssen – im Gegenteil – zurückgestellt werden,
denn die freie Wahl der Ausbildungsstätte ist nicht mehr in dem Maße
gegeben, wie vor der Einführung von Studiengebühren. Wer es sich nicht
leisten kann, sein Fach an einer renommierten Fakultät zu studieren,
weil das Geld nicht vorhanden ist, wird in seiner freien Wahl
beschränkt.

Das ist wahrscheinlich bei weitem nicht alles, was sich alleine dazu
noch sagen ließe, aber ich habe für heute morgen genug. Ich brauche
schon keinen Kaffee mehr, um meinen Puls auf 180 zu kriegen. Aber ist’n
netter Slogan: Wer zahlt, darf auch mitbestimmen. Warum weiten wir das
Projekt nicht auf die ganze Demokratie aus und verteilen das Wahlrecht
gestaffelt nach Steuerzahlungen… würde unseren Freunden vom rechten
Flügel doch nur entgegen kommen…