Lese gerade einen empörten Artikel über die vermehrte Auflösung von Orchestern in unseren Kulturhaupstädten. Teure Orchester werden in Zeiten klammer Kassen stillgelegt, lediglich ein paar Musiker und Dirigenten arbeitslos, aber das hatte man ihnen ja schon im Studium vorausgesagt. Soll man sich aufregen? Der Markt wird’s schon richten. Kommt Zeit, kommt Geld, kommt wieder ein Orchester.

Wieso nicht privatisieren? Weil’s sich nicht rentiert, geht ja eh‘ keiner hin. Klassik – Musik für Hochgestochene. Möchtegerns. War halt schon immer Musik für die oberen 5 Prozent. Schon früher nur für die Spitze der Gesellschaft. Das Volk liebt andere Musik. Köpft den König, dieser Kropf muss weg! Weg mit der Klassik, sie bedeutet nichts!

Doch halt! Was wäre, wenn schon die Fürsten der Klassik den Garaus bereitet hätten? ABBA ohne Streicher? Was wäre Death-Metal ohne Tritonus? Gitarren-Solo ohne bachsche Fuge? Was mit den Samples für die Rapper? Und wo bliebe das Deutschlandlied…

Keine Frage: Wer die Klassik beschneidet, beschneidet die einflussreichste Musikrichtung seit jeher! Kaum ein Stil kommt ohne Anleihen bei der Klassik aus, angefangen bei Andre-Rieu-Walzer Kitsch, über teures Klingeltongedudel bis hin zu schwermetallischen Gitarrenwänden. Der Großteil des Pop-Klamauks im Radio muss erst mit den Wassern der Klassik gewaschen werden, bevor er den Herzschmerz der Hörer erreicht, die nötige Tiefe gewinnt oder sei es nur, dass die Musiker ihre Fähigkeiten erst an der Klassik erproben mussten, um dann andere Wege einzuschlagen.

Wie soll man also das Verhalten der Entscheider bewerten? Ist es Undankbarkeit? Zwang? Unverständnis? Sparen am falschen Ende? Sollten wir sie alle in einer Kirche einsperren und ihnen die Toccata um die Ohren brausen lassen? Würde das helfen? Ich weiß es nicht…