Isch 'abe gar kein Untertitel...

Kategorie: Spiele (Seite 2 von 11)

Liebe zum Detail

Ich feiere ja ganz gewaltig Red Dead Redemption 2. Mit welcher Liebe zum (manchmal auch grausigen) Detail Rockstar Games seine Hommage an den Wilden Westen programmiert hat, sieht man schön beim Vergleich mit dem gehypten Cyberpunk 2077 (das ich leider noch nicht kenne). Obacht, nicht jugendfrei:

Red Dead Redemption 2 – mein Spiel des Jahres

Als ich in den Osterferien begann, „Red Dead Redemption 2“ zu spielen, war es noch direkt im Anschluss meine Erfahrung mit „The Witcher 3“. Anderes Setting, gleiches Spielprinzip: Ein einsamer Held reitet in einer Open World auf einem Pferd durch die Wildnis, erledigt Haupt- und Nebenquests von epischer Breite, pflegt sich sowie seine Ausrüstung und levelt sich gewissenhaft hoch.

Als ich dann das erste Mal im digitalen wilden Westen auf dem Pferderücken saß, kam es mir vor, als hätte ich einen getunten Sportwagen gegen einen Trabbi mit eckigen Rädern getauscht. Nichts in RDR2 schien vergleichbar mit der Rasanz, mit der in The Witcher 3 gekämpft, geritten und gerannt wird. Während Geralt von Riva auf seinem Pferd Plötze wie der geölte Blitz durch die Lande jagt, wirkt Arthur Morgans Gaul dagegen eher wie eine müde Schindmähre. Gleiches im Kampf: Wo Geralt sich mit eleganter Gewandtheit durch zahllose Gegner schnetzelt, wirkt Arthur Morgan eher behäbig und etwas steif in den Beinen. 

Und doch ist Red Dead Redemption 2 bislang eines der besten Spiele, die ich in meiner gesamten Gamer-Karriere je gespielt habe – und die zunächst unerträglich scheinende Langsamkeit genau die Stärke, die RDR2 so spielenswert macht. 

Der Spieler schlüpft in die Rolle Arthur Morgans, der einer Bande Krimineller Outlaws angehört, die nach einem missglückten Überall auf der Flucht vor den gefürchteten Detektei Pinkertons ihr Lager nahe des kleinen Örtchens Valentine aufschlägt. Arthur kann jederzeit wählen, ob er der Hauptquest folgt, für die Story unwichtige Nebenquests erledigt oder sich in der freien Welt des Wilden Westens verlustiert und dort auf Jagd geht, eigenmächtig Raubzüge unternimmt, Kopfgelder sammelt, schlicht Flora und Fauna erkundet oder auf kleinere Zufallsbegegnungen reagiert. Je nachdem, wie Arthur handelt, verbessert oder verschlechtert sich sein Ruf, was direkte Auswirkungen auf Preise für Gegenstände und auch die Ausgestaltung der Story hat. 

Konnte The Witcher 3 mit beeindruckend atmosphärischer Grafik beeindrucken, so toppt RDR2 das mühelos. Der Fairness halber muss man sagen, dass TW3 schon ein paar Jährchen auf dem Buckel hat, aber das ist nicht der entscheidende Punkt, wie ich finde: Red Dead Redemption 2 gelingt es, nahezu vollständig ohne Düsterkeit auszukommen. Der Spieler findet sich so gut wie nie in dunklen Höhlen, finsteren Dungeons oder beängstigenden Anwesen wieder – auch wenn es diese gibt – sondern reitet fast ausschließlich durch verschiedene, fantastisch gestaltete Wild-West-Landschaften. Von schneebedecktem Bergland über saftig grüne Waldlandschaften und von Sumpfgebieten bis hin zu Death-Valley-artigen Wüstenzonen erlebt Arthur die vielfältigen Vegetationszonen der USA in a Nutshell. Dazu gibt es zufallsbestimmt passendes Wetter und auch Flora und Fauna passen zu den geographischen Gegebenheiten. Die meiste Zeit befindet sich der Spieler in der weiten Natur, den freien Himmel über seinem Kopf und alleine das Durchreiten der Landschaften ist ein Genuss, für den sich das Spiel zu kaufen lohnte. Klaustrophobische Situationen erlebt der Spieler fast nie.

Soweit, so gut. Das kennen wir alles schon: tolle Grafik, Open World, das Verhalten des Spielers beeinflusst den Fortgang des Spieles – aber was macht RDR2 zu einem der besten Spiele überhaupt? Es sind (ausgerechnet) die NPCs. Steht man zum ersten Mal als Arthur Morgan im Zeltlager der Van-Der-Linde-Bande, so erwartet man die üblichen durch NPCs angeleierten Quests und auch, dass die wichtigeren NPCs eine kleine Hintergrundgeschichte zu bieten haben. Hält man sich dann etwas länger im Lager auf und achtet genau auf seine Umgebung – und hier kommt die segensreiche Langsamkeit ins Spiel – so stellt man fest, dass alle Charaktere ihre kleinen Probleme, Zwiste, Wünsche und Sorgen haben. Diese drängen sie dem Spieler jedoch nicht auf, es liegt ganz am Spieler, ob er den kleinen Dialogen, oft eher etwas abseits der Zelte und Wagen, Gehör schenkt (oder wie ein Irrer von Quest zu Quest hastet). Je nach Stimmung der Gruppe passiert es auch, dass die NPCs (ohne Arthur) feiern, singen, tanzen, trinken – und das bringt eine mir bis dato unbekannte Lebendigkeit und Authentizität in das Spiel. Da stehen also nicht permanent leblose Gestalten in der Gegend herum und wiederholen manisch irgendeine Tätigkeit, sondern sie bewegen und unterhalten sich, gehen angeln, erledigen Aufgaben, halten wechselnd am Lagereingang Wache oder schlafen (und sind verstört, wenn man sie weckt). Achtet man auf das, was zwischen den Zelten getuschelt wird oder liest Zettel und Briefe, die im Lager liegengelassen werden, dann erfährt man eine Menge über die Stimmung im Lager – und wer mit wem gut kann und wer nicht. Auch Arthur selbst rückt das ein oder andere Geheimnis raus, wenn er beim Mini-Spiel von Mary Beth ausgequetscht wird.

Die „Brot-und-Butter“-NPCs außerhalb des Lagers in den Städten sind meist weniger detailliert gestaltet, aber auch hier gibt es feine Unterschiede. Während einige nur als Staffage auf den Pferden durch die Gegend reiten oder in den Städten über die Gehwege flanieren, so zeichnen sich manche dadurch aus, dass sie eine bestimme Haltungen repräsentieren: Suffragetten, Law-and-Order-Sheriffs, verrückte Prediger, Rassisten, Erfinder, Scharlatane und viele andere bereichern die Welt von Red Dead Redemption 2 – und es ist jedesmal eine Freude, einer dieser Figuren zu begegnen und sich mit ihr zu unterhalten. Bei jeder Figur hat der Spieler die Möglichkeit, sein Gegenüber freundlich oder unfreundlich zu behandeln – oft auch mehrmals nacheinander und in wechselnden Kombinationen. D. h. Arthur kann dem anderen erst zweimal freundlich begegnen, um dann einen fiesen Spruch zu bringen – oder umgekehrt, falls der andere ihm nicht schon den Rücken gekehrt oder den Revolver gezogen hat. Die Unmenge an Dialogen, die sich die Spieldesigner ausgedacht haben müssen – es ist fast unvorstellbar, wie das in dieser Detailliertheit möglich ist. 

Apropos Details: Die Städte! Ich spare mir erneut Lobeshymnen über die Grafik. Jede Stadt wirkt einzigartig und repräsentiert, wie bei den Landschaften, einen etwas anderen Typus Stadt. Die typische Spaghetti-Western-Wild-West-Stadt Valentine, in deren Nähe die Story beginnt, wirkt weitaus weniger heimelig als das pittoreske Nachbarörtchen Strawberry. Betritt man nach langer Spielzeit endlich Blackwater, so stellt man fest, dass sich hier eine Stadt zur Großstadt mausert – ein Ziel, das die Großstadt Saint Denis schon längst erreicht hat. St. Louis stand hier Pate und in jeder Ortschaft herrscht eine eigene authentische Atmosphäre. Abhängig vom Stadttyp gibt es verschiedene Möglichkeiten zur Versorgung mit Lebensmitteln, Kleidung und Waffen, aber in manchen Städten gibt es auch mehr zu sehen.

Dort bereichern neben Fotografen, Ärzten und Friseuren auch Kinos und Varietés das Stadtleben. Besonders Letztere zeigen, mit welcher Detailverliebtheit die Gestalter von Rockstar Games dieses Spiel produziert haben: Betritt man ein Varieté oder eines der neumodischen Kinos, so erlebt der Spieler tatsächlich eine Revue oder eine Filmvorführung, für die er sich getrost ein paar Minuten zurücklehnen und die er schlicht genießen kann. Tänzer*innen, Feuerspucker, Magier, Trickfilme – you name it! Geht man später noch einmal in eine Show, erlebt man eine neue Vorführung mit anderen Darstellern. Will Arthur seinen Beifall bekunden oder seine Missgunst kundtun, so passen seine Dialoge immer genau zur gezeigten Darbietung. Auch die anderen Zuschauer wirken nicht, wie oft in solchen Situationen, unbeteiligt, sondern klatschen oder buhen und sie stehen am Ende der Vorstellung tatsächlich auf und verlassen den Theatersaal. So viel Detailverliebtheit, ohne dass ein Besuch des Varietés Einfluss auf die Haupthandlung hat, das zeigt eine unvergleichliche Liebe zum Detail im Spiel. Chapeau, Rockstar Games!

Ich könnte jetzt hier so weiterschreiben und der Größe dieses Spiels immer noch in keiner Weise gerecht werden. Von historischen Bezügen, von den diversen Auseinandersetzungen mit dem Thema Fortschritt, von dem Bruch in der Story, davon, dass der Spieler nicht genötigt ist, permanent nach Mega-Waffen und „Rüstung“ zu suchen, von den Tieren, dem fantastischen Soundtrack oder den kleinen Rätseln, die dem Spieler begegnen, indem er einfach mit offenen Augen die Landschaft durchreitet. Es gibt so viele zahllose Details, dass sie noch auf Jahre YouTube-Kanäle füllen werden.

Für mich das beste Spiel des Jahres und des vergangenen Jahrzehnts. Und ich glaube, es wird noch lange dauern, bis es ein Spiel gibt, das an Red Dead Redemption 2 heranreicht. Oder sollte Cyerpunk 2077 etwa…

Games.

Lese gerade einen begeisterten Artikel zu dem Ego-Shooter „Apex Legends“ und stelle einmal mehr fest, dass ich völlig raus bin aus dem Game-Business. Ich habe weder Fortnite noch PUBG gespielt und einmal nur ganz kurz bei dem eher unbekannten „Totally Unknown Battleground“ reingeschaut. Eigentlich bin ich ja schon raus, seit die MMORPGS groß wurden und das ist schon lange her, zumindest für die Computer-Zeitrechnung.

Spiele, in denen man für Gegenstände echte Geld bezahlen muss, sind mir fremd. Mittlerweile ignoriere ich sogar weitgehend Spiele, die mit dem Zusatz „In-App-Käufe“ versehen sind, weil mich meist die Werbung tödlich nervt und die Preise für In-App-Käufe dermaßen gesalzen sind, dass ich lange der Überzeugung war, dass das der Markt schnell regeln müsse.

Doch nichts regelte der Markt. Nach wie vor verlangen Free-To-Play-Spiele horrende Summen für lächerliche virtuelle Sammelkarten, Zufallsboxen oder Gegenstände. Und wie mir gestern von mehreren Seiten versichert wurde, sind jüngere Menschen als ich auch gerne bereit, Unsummen in solche Spiele zu investieren. Und nicht nur die: „Früher hatte man Zeit zum Spielen und kein Geld; heute hat man keine Zeit mehr, aber das Geld, um Spiele zu beschleunigen.“ Auch die ältere Generation scheint das In-Game-Bezahlen attraktiv zu spielen.

Ich bin noch nicht so weit. Mit Civilization 6 auf dem iPad bin ich schwer zufrieden. Einmal bezahlt, endloser Spielspaß. Erst gestern das Remaster von „Sternenschweif“ heruntergeladen (eher aus nostalgischen Gründen, habe ich das gerne gespielt!) – und alleine damit könnte man Wochen verbringen, während man massenweise kostenlose Gegenstände sammeln kann.

Aber wer weiß: Vielleicht packt mich ja irgendwann auch das Free-To-Play-Fieber?

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