Isch 'abe gar kein Untertitel...

Aber wehe, ihr wollt es mir nehmen

Für ein paar Tage Barcelona besucht, überwiegend jedoch einen Vorort namens Viladecans, und währenddessen Nachrichten und Politik weitgehend ignoriert. Eine Woche lang kein Twitter und kaum Facebook, ich vermisse nichts und bilde mir nicht ein, etwas verpasst zu haben. Im Gegenteil, konnte ich meine Zeit doch bei wunderbaren 20 Grad Celsius in einer wunderschönen Stadt verbringen.

Derweil schrieb Günter Grass ein Gedicht, weshalb er nun einen journalistischen Shitstorm ertragen muss, die Klaviatur kennt er nur zu gut; deutsche Spitzenpolitiker echauffieren sich, weil die Schweiz ihren Status als Paradies der Steuerhinterzieher durchsetzen will, und die FDP-Minister lassen sich ihre Texte von Lobbyisten diktieren. Also alles so wie immer, Kommentare erübrigen sich.

Interessant hingegen, dass immer mehr prominente Agitation gegen die Piraten stattfindet. Da waren wohl irgendwo 51 Tator-Autoren, die sich bitterlich beschwert haben sollen und jetzt lese ich gerade von 100 Prominenten gegen die Piraten, darunter Minister und Journalisten. Und immer wieder geht es ums Urheberrecht, gegen die Kostenlos-Kultur und Verwertungsrechte. Leider ist der Kommentar von Sven Prange zu eindimensional geschrieben und klammert die Schattenseiten des aktuellen Urheberrechts völlig aus, verklärt dafür die tollen Patente und übersieht vollkommen, dass es schon – abseits seiner hochheiligen Marktwirtschaft – völlig freie Inhalte schon gibt. So behauptet er:

Es hat sich nicht grundlos als Prinzip der Marktwirtschaft etabliert, dass, wo eine Nachfrage entsteht, auch ein Preis gebildet wird. Und zwar auch bei Gütern, die teilbar sind oder allen zur Verfügung stehen: Bahnfahren kostet, ebenso Trinkwasser oder im Urlaub der schöne Blick aufs Meer. Was keinen Preis hat, hat in der Marktwirtschaft auch keinen Wert.

Man beachte: „Es hat sich … etabliert.“ – gottgleich, wie die unsichtbare Hand des wohlmeinenden Marktes es weise fügt. Prange hat offensichtlich noch nie etwas von Linux, OpenOffice oder OpenSource-Software überhaupt gehört, denn dann würde er die Piraten vielleicht verstehen und müsste seine apodiktischen Behauptungen revidieren. Entwicklung, Vertrieb und Gebrauch dieser Software funktioniert ohne Preis und bietet dennoch einen gewaltigen Wert, nicht zuletzt durch die Produkte, die dann wieder mithilfe solcher Software entsteht. Ich wette, dass auch Handelsblatt-Server irgendwo auf Apache aufsetzten oder Opensource einsetzen, ob Herrn Prange das nun gefällt oder nicht.

Der langt dafür umso grober zu, zieht das ad personam, versteigt sich zu Urzeitmensch-Vergleichen und galoppiert quer durch die Geschichte, wobei er seinen Gaul überall da grasen lässt, wo es ihm gerade in den Kram passt.

Mozart musste sich von Kaiser Joseph ins Werk reden lassen: „Gewaltig viele Noten, Herr Mozart“, klagte der adelige Finanzier.

Der arme Mozart, so die implizite Aussage, wäre froh und dankbar über ein so tolles Urheberrecht wie dem unsrigen gewesen. Nun bin ich wirklich kein Experte für juristische Dinge und Rechteverwertung, aber eines weiß ich ziemlich sicher: Dass Knebelverträge  (der fiese adelige Finanzier Mozarts hieße heute schlicht „Plattenfirma“) heutzutage die Kunst nicht minder schlimm beschneiden wie Kaiser Joseph, daran glaube ich fest!

Wie auch immer die Pranges und die 100 anderen dieser Welt es drehen und wenden wollen: Wir haben ein handfestes Problem mit unserem Urheberrecht und wir werden über kurz oder lang etwas daran verändern. Wir werden nicht einmal Gesetze dafür brauchen – es gibt schon jetzt so viele sehenswerte Videos auf Plattformen wie Vimeo oder Youtube, großartige und bereichernde Texte auf Blogs, hochklassige Fotos auf Flickr&Co, dass mich euer Gejammer gar nicht kümmern braucht. Ich nutze das Netz auch ohne euch.

Aber wehe, ihr wollt es mir nehmen.

1 Kommentar

  1. Batti

    *nick* 😉

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