In der Printausgabe der Süddeutschen findet sich heute ein Artikel, der sich mit Wohl und Wehe der Virtuosität der heutigen Starpianisten beschäftigt. Die Urteile über die anscheinend (ich bin bei Pianisten nicht sonderlich bewandert) neue Virtuosität schwanken von einer hohlen „Klaviermaschine“ bis hin zu einer Stilisierung der Virtuosität zu einer Erlösung des Zuhörers durch den Pianisten. Letzterer signalisiere dem Zuhörer, „dass die Materie sich zumindest theoretisch überwinden lässt Und mit ihr das, wofür sie steht: den Alltag, die körperlichen Gebrechen, den Tod wohl zuletzt.“ Ein Diskurs, der sich vielfach auf einfacherer Ebene in diversen Musikerforen wiederfinden lässt: Auf der einen Seite steht der nahezu übermenschliche Virtuose, der wie ein Besessener mühelos zahllose Note aneinanderzureihen in der Lage ist, während auf der Gegenseite der gefühlvoll modulierende Musiker mit wenigen Tönen die Tiefen der Seele erreicht.

Filmische Umsetzung erfährt dieser Diskurs im Gitarrenduell des Film „Crossroads“, wo der junge Bluesgitarrist Eugene in einem Duell um seine Seele auf eine virtuose „Maschine“ trifft und diese letztlich unerwartet besiegt, indem er ausgerechnet dadurch gewinnt, dass er sein Bluesgadget, das Bottleneck zum Slidespiel, wegpackt und den Virtuosen auf seinem Spezialgebiet, der notenschwindelnden Virtuosität, schlägt. Pointe: Der Ausnamegitarrist Steve Vai hat (mit Ausnahme der Slideparts) alle Spuren des Duells selbst eingespielt; er schlägt sich quasi selbst im Duell. Virtuos und gefühlvoll bluesig, meist beherrschen Virtuosen nämlich beides. Es steht nur zur Frage, was man von ihnen (oder was sie von sich selber) erwarten.

Und doch, bei aller Faszination, die Virtuosen auf mich ausüben: Dass die Materie sich überwinden lasse, dafür stehen sie nicht. Wenn man beobachtet, was da gerade bei einem wahren Duell eines virtusosen Menschen gegen eine Maschine, nämlich dem Kräftemessen im Spiel GO, geschieht, dann muss man bezweifeln, dass die Virtuosität des Menschen ausreicht, uns Hoffnung auf eine – praktische wie theoretische – Überwindung der Materie zu machen. Es sieht eher so aus, als würde die Materie bald uns überwinden.