Schreckliche Neuigkeiten künden die Zeitungen: Kinder, die zu viel Zeit vor Medien, insbesondere audiovisuellen, verbrächten, seien fetter und dümmer. Diese unglaublich bahnbrechende Erkenntnis wird mantraartig im Dreimonatstakt verkündet, viel Neues kann ich da nicht erkennen und ich frage mich, warum die Medien derart darauf anspringen? Ist es vielleicht das gegenseitige Bestärken im Glauben, dass „wir“ nichts mit „deren“ dummen, fetten Kindern zu tun haben?

Die wieder einmal so lautstark herausposaunte Erkenntnis, geschöpft durch aufwändige Befragungen und gut bezahlte Wissenschaftler, hat mir meine Oma schon mit trivialer Hausfrauenlogik vor zwanzig Jahren vermittelt: „Junge, sitz‘ doch bei dem schönen Wetter nicht den ganzen Tag vor der Kiste!“ Und dann hat sie das Teil  ausgeknipst. Per Hand. Und dann bin ich raus, und da draußen herumstehen kreuzöde ist, habe ich mir einen Ball mitgenommen und ihn gegen die Garage gedroschen. Meine Oma hat’s ertragen, weil sie wusste, dass Bälle vor Garagen dreschen sinnvoller sein kann, als Fernsehen zu schauen. Und wenn mir Bälle dreschen zu langweilig war, habe ich mir ein Buch mitgenommen, es mir in der Hollywood-Schaukel bequem gemacht und in der warmen Sommerferiensonne geschmökert.

Nun gut, Wissenschaftler müssen auch bezahlt werden und solange sie ihre Steuern brav in Deutschland abführen, ist das auch ganz prima. Und damit wären wir quasi beim zweiten großen Thema des Tages: Dem Zumwinkel + hunderten anderen. Haben Steuern in Liechtenstein hinterzogen. Oder wie sagt man das? Haben Steuern mithilfe von Liechtenstein hinterzogen? Haben in Liechtenstein deutsche Steuern hinterzogen? Wie auch immer: 3,4 Milliarden €ier sind am Fiskus vorbeigeschmuggelt worden. Von einem Multimillionär. Wieso verfolgt man die jetzt eigentlich? Das regelt doch alles der Markt, oder nicht? Was sagt denn die FDP dazu? Also das Geld sucht sich doch quasi den Ort, wo es sein will – das ist doch wie mit den Arbeitsplätzen, oder nicht? Sprich: Da, wo die Konditionen günstig sind, muss das Geld hin, von wegen Angebot und Nachfrage und Konkurrenz belebt das Geschäft. Also ist das doch supi, wenn der Zumwinkel dem Geld hilft, da hinzukommen, wo es naturgemäß hinwill.

Der Steinbrück hat sich ja zuletzt über den Schumi aufgeregt und andere „Steuerflüchtlinge“. Dabei handeln die doch nur ökonomisch-rational und helfen ihrem Geld dahinzukommen, wo das Geld sich wohlfühlt. Da gibt es gar nichts zu bejammern, Herr Finanzminister. Betrug, schreit man jetzt, Betrug! Dabei ist Betrug doch aktuell fett en vogue. Die paar Milliarden! Was ist das schon gegen Gewerkschafter, die im Auftrag des Namensgebers der Hartz-Gesetze ihre Arbeiter für ein paar Nutten verkaufen? Mein Gott, bleibt mal auf dem Teppich! Unser Innenminister ist mutmaßlicher Steuerbetrüger. Und erst der fette Ex-Bundeskanzler! Was mit Kerlen wie Schily, Schröder und Clement? Warum sollten ausgerechnet gestandene Männer wie Zumwinkel und Co. sich von so kleinen Lichtchen ausstechen lassen?

Jeden Tag schnaufen dutzende menschliche Apotheken über Deutschlands Bildschirme, versuchen große Fußballidole billige Elfmeter zu schinden. Jeden Tag stehen Künstler auf deutschen Bühnen, die nur mit Vollplayback singen können, beglücken Models die Bildschirme, die ohne die vierteljährliche Botoxspritze aussähen wie eine ganze Fledermausgrotte. Jeden Tag muss ich beleidigende Arschlöcher im TV sehen, die als „Winner“ dargestellt werden. Mit jedem Tag wird mir deutlich, dass Betrug cool ist, geil ist, ein must-have ist. Warum sollte ausgerechnet die Elite des Landes in punkto Betrug hinterherhecheln?

„Junge, komm endlich von dem Computer weg!“, höre ich meine Oma rufen. Ja, vielleicht sollte ich mir jetzt lieber ein Buch schnappen und ein paar Kapitel lesen. Autoren schreiben ihre Bücher immerhin noch selber, es spielt keine Rolle, ob Autor XY eine Warze an unpassender Stelle im Gesicht hat und Doping ist im Autorengewerbe seit Schillers schimmeligen Äpfeln legitim. Abschreiben nennt man Zitieren und so hat alles Unschöne seine Ordnung. Und schlau machen Bücher obendrein, auch für diese Erkenntnis brauchte meine Oma keine hochdotierten Wissenschaftler, lediglich ein paar Jahre Lebenserfahrung. Und schlau muss man sein, sonst wird man erwischt.