Isch 'abe gar kein Untertitel...

Bibi Blocksberg-Hörer läuft Amok

Ääähh…so oder so ähnlich könnte eine passende Überschrift im Spon auch lauten, würde der besagte Bibi Blocksberg-Hörer nicht einen Doktortitel tragen, seine Habilitationsschrift schon fertiggestellt haben und gegen die radikale Linke im Kinderzimmer, sprich: Bibi Blocksberg und Benjamin Blümchen
anschreiben. Deutlich wird dabei eigentlich nur eins: Der spinnt, der Politologe! Was? Worum geht’s? Also: ein Wissenschaftler beschäftigt sich während seiner Arbeitszeit mit dem Thema: „Politik bei Benjamin Blümchen und Bibi Blocksberg“. Dabei kommt der gute Mann zu dem Fazit,

dass diese die Entwicklung politisch mündiger Bürgerinnen und Bürger kaum fördern, wenn nicht sogar behindern.

Als Vater einer dreijährigen Tochter, der um diese subversiven Elemente Benjamin Blümchen und Bibi Blocksberg schwer herumkommen wird, muss ich mir da wohl meine Gedanken machen und habe mir den Text des Herrn Strohmeier einmal angeguckt. Wie wirkt Bibi Blocksberg auf meine Tochter, frage ich mich?

Um konkrete Wirkungen geht es dem Autor aber gar nicht, schließlich schreibt er, nachdem er politische Sozialisationstheorien durchgekaut hat, und bevor er an die Analyse der Hörspiele geht:

Dabei wird allerdings nicht die konkrete Wirkung dieser beiden Hörspiele auf Kinder analysiert, sondern nur das ihnen inhärente politische Sozialisationspotenzial illustriert.

Aha. Es geht also nicht um empirischen Erhebungen, sondern lediglich um Hypothesen. Quasi eine literaturwissenschaftliche Analyse von Kinderhörspielen mit politischem Impetus. Dafür lehnt der Herr Politologe sich ganz schön weit aus dem Fenster. In einer Figurenanalyse versucht er, der Anarchie Herr zu werden. Der Bürgermeister ist ihm zu fett, zu faul, zu sehr auf Eigennutz bedacht, die Polizei zu lächerlich und unreflektiert, die Medien zu positiv, die Wirtschaft zu betrügerisch und überhaupt viel zu viel Umwelt! Und besonders stinkt ihm,

dass sich die „richtigen“ politischen Positionen grundsätzlich „links“ der politischen Mitte befinden.

Holla! Bibi und Benjamin als linke Rattenfänger von Hameln in unseren Kinderzimmern! Da muss man erst mal drauf kommen. Das ist natürlich ungemein gefährlich, daher stuft der gute Mann die besagten Hörspiele aus „politikwissenschaftlicher Sicht“ als „keineswegs […] wertvoll“ ein und konstatiert den beiden roten Socken tendenzielle Anarchie, Antistaatlichkeit, antihierarchische, antiautoritäre und antikonservative Verhaltensweisen.
Aber das ist doch noch lange nicht alles, Herr Strohmeier. Da setze ich noch einen drauf!

Schließlich kann man Bibi nicht nur politisch betrachten, sondern auch auf diverse andere Arten: Wie wär’s mal religiös? Bibi Blocksberg Hörspiele als Büchsen der Pandora, die unsere Kinder in die Fänge des Okkultismus treiben. Schließlich zaubert das miese Stück die ganze Zeit. Hex, hex! Kein Wunder, dass unser Fernsehprogramm vollgestopft ist mit schlecht geschminkten, fetthaarigen Kartenlegern und Pendelschwingern! Die linksverirrte Generation der frühen Bibi-Hörer trägt Schuld! Oder biologistisch? Sprechende Elefanten? Ein nie alterndes Kind? Können wir mit unseren Kindern noch in den Zoo gehen, ohne sie schwerstens zu verstören, wenn sie diese Hörspiele konsumiert haben? Wie sollen wir reagieren, wenn sie mit der Realität konfrontiert werden? Wie sollen sie dieses Trauma als Erwachsene bewältigen können? Wen wundert es da noch, dass immer mehr Menschen sich schon früh psychich nicht mehr für fit halten und die Depressionsraten bei jungen Menschen so stark steigen!

Neee, mal ernsthaft: Was soll das werden? Eine neoliberale Wende im Kinderzimmer? Mehr Bürgermeister für das Kind? Bibi jetzt mal stockkonservativ? Muss ich demnächst Titel wie

  • Benjamin und Otto entlassen Karl zwecks Gewinnmaximierung.
  • Bibi gegen die Windkrafträder.
  • Benjamin am Aktienmarkt.
  • Bibi verhext die faulen Arbeitslosen.
  • Benjamin als Soldat.
  • Bibi als Schuhputzerin.

erwarten? Pfui bah! Kindermedien leben meiner Meinung nach von starken Protagonisten mit diametral entgegengesetzten Gegenspielern. Was wäre Momo ohne die grauen Männer? Harry Potter ohne Voldemort? Man kann sich auch anstellen. Ich habe früher He-Man bis zum Exzess geguckt, gehört, gespielt. Schreibt diesen Text hier einer, der mit ’nem Schwert auf’m Rücken für seine Vorstellung von Freiheit kämpft, sich Rat bei federbuschbewehrten Zauberinnen holt und denkt, die Welt bestünde nur aus Schwarz und Weiß??? Der Typ, dem das passiert ist, heißt George W. Bush und der ist so dermaßen konservativ, dass er sich kaum noch bücken kann, vor lauter geheuchelter Gradlinig- und Christlichkeit!

Ich will mehr anarchische Vorbilder. Mehr Figuren, die den Mut zeigen, sich gegen etablierte Machtverhältnisse zu stellen, und ich will keine kleinen Schilys, für die Sicherheit und Ordnung die einzigen zwei Werte in ihrer mageren, angstvollen Welt darstellen. Immerhin hat Karla Kolumna schon geantwortet. Ach, und wer die abstrusen Thesen vom Herrn Strohmeier im Original lesen möchte, der lade sich unter dem Link die 1,5 MB große PDF-Datei herunter.

3 Kommentare

  1. Quality

    Weitere Anarchische Heldinnen und Helden aus dem Kinderzimmer, uneingeschränkt für Kinder im Bibi-Blocksberg-Alter zu empfehlen:

    Pipi Langstrumpf
    Ronja Räubertochter
    Michel aus Lönneberga
    Lukas u. Jim (die Lokomotivführer)
    Atreju aus der Unendlichen Geschichte

    sowie unzählige Figuren von C. Nöstlinger, E. Kästner usw usf

    Die hätte man alle lieber im Kinderzimmer als einen einzigen Politikwissenschaftler. Übrigens sollte der eigentlich am besten wissen, warum der Bürgermeister genau so und nicht anders dargestellt wird.

  2. Eberon

    He-Man, der stäkste der Starken auf der Seite des Guten. Hach, da werden Kindheitserinnerungen wach. Moment, da habe ich auch etwas am Start: [Ich hörte gerade: „He-Man-Thema“ von He-Man]

    (Ich muss mir endlich die DVDs kaufen.)

    Aber zum Thema:
    [blockquote]Computer games don’t affect kids, I mean if Pac Man affected us as kids, we’d all be running around in darkened rooms, munching pills and listening to repetitive music.[/blockquote]

    OK, es geht hir nicht um Videospielee, aber die sind ja noch schlimmer. 😉

  3. Hokeys Blog

    Wer als Kind nie über die Blockflöte und Kochtöpfe mit Holzlöffeln hinausgekommen ist, aber schon immer das innere Brennen verpürt hat, Musiker zu werden und wer Musik immer schon als destruktives Medium zur harmonischen Konstruktion von Anarchie g

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