Das blinde Mädchen und den verrückten Onkel nicht zu vergessen. Man sollte kaum glauben, dass diese Zutaten, die doch eher an Indiana Jones erinnern, für einen Roman noch verfangen, doch ist es Anthony Doerr tatsächlich gelungen, mithilfe dieser den schönen Roman „All The light wie cannot see“ zu verfassen, der die Phase vor und während der deutschen Besetzung Frankreichs aus der Perspektive der sechsjährigen Französin Mary-Laure und des deutschen Waisenkindes Werner Pfennig einnimmt.

Die Geschichte spielt wechselweise in Frankreich und in Deutschland und beide Kinder kämpfen mit Schicksalsschlägen: Die in Paris aufwachsende Marie-Laure erblindet im Laufe ihres jungen Lebens, und Werner verliert seinen Vater bei einem Grubenunfall in Essen, weshalb er mit seiner Schwester Jutta in ein Waisenhaus kommt und einer trüben Zukunft als Grubenarbeiter entgegenblickt. Während sich der alleinerziehende Vater Marie-Laures rührend um seine Tochter kümmert und ihr zur Orientierung ein Miniaturmodell von Paris baut, stellt sich im Waisenhaus heraus, dass Werner ein erstaunlich talentierter und intelligenter Techniker ist, was auch den Nazis nicht verborgen bleibt. Welche Rolle nun der kostbare Diamant (den Marie-Laures Vater vor den Nazis verstecken muss), der verrückte Onkel Etienne und die vielen Geheimfächer spielen, das weiß ich auch noch nicht, aber ich muss sagen, dass mich die Geschichte doch fesselt.

Vielleicht liegt es daran, dass Doerr aus der Perspektive eines blinden Mädchens erzählt und sich dabei nicht auf die sichtbaren Ortserklärungen zurückziehen kann, sondern sich auf das beschränken muss, was Marie-Laure fühlt, riecht, hört oder vermutet. Dabei werden die Probleme eines blinden Mädchens im Krieg durchaus plastisch: Wie einen Bombenangriff überstehen, wenn man blind ist? Wie sich in einer zerbombten Stadt zurechtfinden? Was tun, wenn man auf der Flucht die gewohnte Umgebung verlassen muss? Fragen, die man sich als sehender Leser eher selten stellt, sodass Doerrs Roman dabei hilft, eine neue Perspektive zu gewinnen. Die beiden Hauptfiguren werden überdies gleichermaßen sympathisch dargestellt, und wie es momentan ausschaut, gibt es auf französischer und deutscher Seite fiese Figuren, die den Helden das Leben schwer machen werden.

Die Rezension des Guardian bemängelt man Doerrs der Historie unangepassten amerikanischen Sprachstil, mir als deutschem Leser fällt das in der englischen Version gar nicht auf.

Kurz und knapp: Mir gefällt’s. Als Lesestoff für die Ferien genau das richtige.