Heute morgen Leserbriefe des sonntäglichen Werbeblattes zum Thema „Gehört der Islam zu Deutschland“ gelesen, vorwiegend ablehnend und in der typischen „Ich habe ja nichts gegen den Islam, aber …“-Manier. Die üblichen Verdächtigen, wie die Verbreitung durch das Schwert, Burkas und Steinigungen,  kommen darin ebenso vor wie das erstaunliche Verständnis, dass eine Verächtlichmachung Jesus‘ auch als äußerst empörend empfunden werde. (Dabei ist es doch ausgerechnet die Verächtlichmachung Jesus‘ durch die römischen Soldaten, die das „christliche Abendland“ jeden Sonntag liest und predigt.)  Eine Exportnation  könne in einem Staat nach islamischen Muster nicht funktionieren und ich frage mich, ob der Autor das Öl, das er da ins Feuer gießt, wohl nur aus amerikanischen Quellen bezieht?

Da schüttelt’s den gebeutelten Leserbriefleser und ich verweise auf einen Podcast von SWR Aula mit dem Titel „Warum wir das Feindbild Islam überwinden müssen“. Früher hätte ich „Hörbefehl“ dahinter geschrieben. Die Professorin Katajun Amirpur erklärt sehr sachlich, aber auch mit einer gehörigen Portion Enttäuschung, warum der Islam nicht zum europäischen Feindbild taugen kann. So verweist sie zum Beispiel auf einen an die IS-Führer gerichteten  Brief von 120 durchaus konservativen islamischen Gelehrten, welche darin klarstellen, dass der sogenannte Islamische Staat „rundherum barbarisch und unislamisch“ handelt, der aber im Mainstream der deutschen Medien anscheinend kaum rezipiert wurde.

Amirpur zeigt weiterhin auf, dass ausgerechnet Islamisten und Islamgegner sich im Sinne einer falschen Koranauslegung sehr nahe stehen: „Surenpingpong“ nennt sie deren Methode der Auslegung; jede Seite sucht sich das, was sie gerade als für passend erachtet. Dabei werden historischer Kontext und bisherige Deutungen ignoriert, die Missdeutungen prägen aber dafür umso stärker das Bild des Islam in unseren Köpfen, denn eben diese Koranfetzen  bleiben im kollektiven Gedächtnis, was man nicht zuletzt an den Leserbriefen unseres Bielefelder Werbeblättchens erkennt.