Bin von leichtem GAS (Gear Acquisition Syndrome) befallen. Sauge in meiner Freizeit förmlich Videos von verschiedensten Verstärkertypen in mich auf, denn leider ist mein alter Marshall VS 65R von einem nervigen Brummen befallen, das ihn manchmal im Clean-Channel1 erwischt. Also muss wohl über kurz oder (eher) lang ein neuer her – und der Markt an Verstärkern (Amps) ist unglaublich groß.

Da kann man sich den klassischen Röhrenverstärker besorgen, der wohl immer noch das beliebteste Verstärker-Konzept repräsentiert, aber leider auch dadurch glänzt, dass er unfassbar laut gespielt werden will, um seine klanglichen Qualitäten zu entfalten. Fürs Wohnzimmer ist das eher nichts. Transistoren-Amps hingegen erlauben weitaus geringere Lautstärken, entfalten aber in Ermangelung von Röhren nicht den gleichen harmonisch verzerrten Klang wie ein Röhrenverstärker. Modelling-Amps hingegen sind mittlerweile in der Lage, die klangliche Qualität und das Klangverhalten der Röhren und den Vorteil der geringen Lautheit der Transistoren zu kombinieren.

Aber damit ist es ja leider nicht getan. „Dank“ des Modelling gibt es nun Konzepte, von denen man vor dreizehn Jahren (als ich mich so etwa aus dem Musikerbereich verabschiedet habe) nicht geträumt hätte. Hatte man früher bestenfalls die Wahl zwischen einem Verstärkertopteil plus einer Box (zum Beispiel hier) oder einem Combo (Beispiel), also einer Kombination aus Topteil und Lautsprecherbox, so sind heute noch andere Varianten denkbar.

Line 6 Helix

Der moderne Gitarrist könnte sich z. B. seinen Sound komplett aus einem solchen Pedalboard wie dem Line 6 Helix (Youtube-Demo) zaubern lassen. Man sieht keine dicken Knöpfe, keine glimmenden Röhren und schon gar keine Lautsprecher – und doch ersetzt das Dingen bei Bedarf zahllose Verstärker und sogar Lautsprecher, wenn man direkt über das Mischpult aufnimmt oder live über eine PA-Anlage spielt. Natürlich kann man auch Fullrange-Lautsprecher anschließen, die mehr Bass und Höhen hergeben als ein klassischer Gitarrenlautsprecher, und das Gerät klingt über Kopfhörer gewiss göttlich, aber… so einfach nur durch eine digitale Kiste daddeln? Klar, mit allen Features, die das Gitarristenherz begehrt, aber… hmmm…

Yamaha THR100 HD

So eine echter Head mit Box, die den Sound sofort wiedergibt, das ist dann doch was anderes. Einstöpseln, losspielen. Keine Konfiguration, kein Hochfahren, kein Gefummel. Und da hat wiederum der Yamaha THR100 HD die Nase vorn. Obwohl die Kiste nicht danach aussieht, ist sie ein 1A-Modelling-Amp, der letztlich zwei Amps gleichzeitig simuliert und dabei jeweils fünf verschiedene „typische“ Verstärkerarten imitiert. Wenn man nicht die ganz krassen Metal-Sounds spielen möchte, bietet der also so ziemlich alles, was man so im E-Gitarren-Alltag braucht (Youtube-Demo). Dazu kann man die beiden Boxen entweder gleichzeitig  mit einem oder beiden(!) Verstärkern befeuern oder sie sogar mit zwei Gitarren oder auch einem Bass gleichzeitig spielen.

Wie auch immer, es ist kompliziert. Das tolle All-in-one-Sorglospaket plus teure Abhöre und viel Gefummel oder ein klassisches Modell inklusive vieler Neuerungen, aber ohne den Komfort der vielen Soundbänke? Oder doch ein bewährter Röhrenverstärker? Vielleicht ein Modeling-Combo-Amp? Oder doch dem aktuellen Hype folgen und den Profiling-Amp von Kemper nehmen? Es wird nicht einfacher…

Der kleine, große Bruder

Ich lasse mir für einen „Großen“ wohl erst einmal mindestens ein Jahr Zeit und schaue, dass ich vielleicht zwischendurch einen „kleinen“ THR10 (Demo) gebraucht erwische. Als Vorgänger des THR100 hat er sich einen guten Namen als grandioser Wohnzimmeramp gemacht, den man bei sehr gutem Sound sehr leise spielen kann, dabei Sounds per Klinke einspeisen und ihn sogar als kleine Stereoanlage gebrauchen kann. Gleichzeitig funktioniert er als Aufnahme-Interface für den PC und ist somit eine Art Schweizer Taschenmesser unter den Verstärkern. Nicht zu vergessen, dass er, wenn nötig, auch nur mit Batterien funktioniert.


  1.  Der „Clean-Channel“ ist der Kanal, über den E-Gitarren so schön klar und glockig klingen können, ähnlich wie eine nicht verstärkte Gitarre.