Isch 'abe gar kein Untertitel...

Pröbchenkultur

Wenn
man in der Parfümerie erfahren möchte, ob einem die nichtssagende
Flüssigkeit in einem Flacon olfaktorisch zusagt, so sucht man nach dem
passenden Fläschchen mit der Aufschrift "Probe", entblößt sein
Handgelenk und sprüht sich den Duft auf genau jene dünne Hautschicht,
an welcher man auch den Puls fühlen kann. Die gut durchblutete, nackte Haut hilft, den Duft
des Parfüms optimal zu verteilen. Gleiches gilt für die kleinen
Pröbchen, die man oft von lächelnden jungen Damen
geschenkt bekommt. Über die Jahre hat sich eine
regelrechte Pröbchenkultur entwickelt. Ich kenne Frauen, die vermutlich
jahrelang kein Parfüm mehr zu kaufen bräuchten, weil sie den Schrank mit dutzenden kleinen Duftpröbchen gefüllt haben.

Pröbchen werden
immer mehr auch zum festen Bestandteil der Blogosphäre. Man darf
pröbchenhalber Opel fahren, gerne auch mal für Simyo Telefonkarten probieren, für Sony kleine japanische Roboter
probehalber Gassi führen oder auch von AMD ein Notebook geliehen
bekommen. Natürlich nur zu Testzwecken – wofür auch hochbezahlte Tester
engagieren, wenn Blogger nahezu kostenlos Test und Werbung in einem
Abwasch absolvieren. Wie schreibt Geert Lovink in der aktuellen Lettre
doch provozierend:

Blogs [sind] die ausgelagerten, privatisierten Forschungsabteilungen der großen Medienunternehmen." (Geert Lovink, danke an Julio für den Tipp)

Dass Blogger nicht richtig forschen, dürfte auch AMD bekannt sein, aber diese neue Form des Outsourcings für’n geliehenen Appel und ’n Ei setzt sich langsam aber sicher durch – nicht nur bei großen Medienunternehmen.

Aber AMD geht noch weiter und verlangt, dass der Blogger sich so richtig nackig macht. Erst SCHUFA-Auskunft,
dann Notebook. Wo kämen wir denn da hin, wenn jeder dahergelaufene
Habenichts, der zu allem Überfluss auch noch im falschen Stadtteil
wohnt, ein Notebook probieren könnte?

In der Parfümerie kann
man schnell die falsche Duftnote erwischen und muss dann einige Zeit
mit dem unangenehmen Geruch am Handgelenk zurechtkommen. Das ist bedauerlich, aber nicht weiter tragisch. Wenn AMD so ungeniert Blogger ausziehen
möchte, dann hat das eine andere Duftnote: es stinkt.

1 Kommentar

  1. Naddel

    Also einen kleinen japanischen Roboter würde ich aus Spaß Gassi fühern ;-)… aber sicherlich nicht, wenn ich meine komplette Identität vor denen frei legen müsste! Das ist dann doch zuviel Aufwand.

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