Isch 'abe gar kein Untertitel...

Kategorie: Kultur (Seite 1 von 99)

Kinga Głyk in Rheda-Wiedenbrück

Ausverkauft war die Location in Rheda-Wiedenbrück, und der Veranstalter hätte noch weitaus mehr Karten loswerden können, wie er eingangs erklärte. Und das bei einem Jazz-Konzert mitten in der Woche mitten im verschlafenen Ostwestfalen? Doch wen wundert’s! Auch ich bin ja eher selten auf Jazz-Konzerten, aber wenn sich jemand vom Format einer Kinga Głyk in unser kleines Ostwestfalen verirrt, dann bin ich sofort dabei. In dem sehr schönen Abrahams im benachbarten Rheda-Wiedenbrück stellte Kinga Głyk ihr neues Album vor, das Januar ´24 erscheinen wird. Diesmal wollte ich mich nicht ärgern, diesmal war ich dabei!

Und was soll ich sagen: es war wunderbar! Intime Atmosphäre, ein toller Sound und eine fantastische besetzte Band, die sich mittlerweile um die polnische Bassistin geschart hat. War ich schon beim Kemptener Jazzfrühling von den Chick-Coreaesquen Keyboards begeistert, so komplettiert sich die Besetzung nun mit der Saxophonistin Hailey Niswanger. Die spielt aber eher selten das Saxophon, sondern hat meist ein Aerophone an den Lippen und ergänzt mit den elektronischen Klängen die Keyboards perfekt. Genau meine Baustelle.

Und obwohl mit Głyk der Bass im Mittelpunkt steht, lässt sie ihren Mitmusikern ausreichend Raum, sodass der Bass nicht unangenehm dominiert. Und darum glänzen Aerophone, Saxophon und Keyboards mindestens genauso oft, während Bass und Drums für den passenden Groove sorgen. Besonders im kleinen Raum des Abrahams fährt einem darum die Rhythmusgruppe  immer wieder in die Glieder und auch die umstehenden Zufallsbesucher („Ach? Bassistin? Noch nie gehört, Karte geschenkt bekommen.“) haben sichtlich Freude am Konzert. Wer mag, kann einen aktuellen Mitschnitt vom Rockpalast aus Leverkusen (alternativer Link) von vorgestern nachhören. 

Ich freue mich auf das neue Album – und den (hoffentlich) nächsten Besuch von Kinga Głyk in OWL! 🙂

Thank U

Sonnenschein, Wasserwerfer, Woodstock 1999. Und ich 24 Jahre später mittendrin –  per YouTube – und schaue mir zum x-ten Mal den Auftritt von Alanis Morissette an. Sie singt „Thank U“ auf ihre Alans-Morissette-Art. Eine kleine Frau, fast alleine auf einer riesigen Stage, drei Bandmitglieder verlieren sich irgendwo im Hintergrund. Trotz Mega-Bühne und dem Anlass des Woodstock-Revivals gibt es kein überkandideltes Outfit, keine wilde Frisur, keine einstudierte Performance. Sie bewegt sich kaum hinter ihrem Mikrofon und zuckt mit den Händen wie Joe Cocker. Doch das ändert nichts an der Kraft und der Freude, die sie mit ihrer Stimme transportiert; keine geworfene Wasserflasche bringt sie aus der fast schon hypnotischen Ruhe, der sich selbst der Himmel in stiller Abendstimmung beugt. Thank U.

Wenn Monster grollen und Engel singen

Ich bin ja kein Metal-Fanboy. Eigentlich höre ich kaum Metal – und wenn, dann nur den „guten“. Na gut, ab und an habe ich mal einen Blogeintrag dazu rausgehauen, aber trotzdem: Ich habe noch nie in meinem Leben ein Metal-Shirt besessen, eine der berüchtigten Kutten getragen oder eines der noch berüchtigteren Festivals besucht. Zwar höre ich hin und wieder die eine oder andere Band, aber das macht mich noch lange nicht zum Metal-Fan.

Falsch gedacht, folgt man dem Soziologen Hartmut Rosa, dessen jüngst erschienenes Buch „When Monsters Roar and Angels Sing“ als Buch und Hörbuch erschienen ist. Die erste Rezension gelesen, sofort bestellt und mit großer Wonne gelesen. Endlich mal jemand aus dem universitären Elfenbeinturm, dessen Herz für den Metal schlägt, dem das ganze Gegrunze und Himmel-und-Hölle-Besingen nicht zu platt und peinlich ist.

Und Rosa kennt sich aus: Textsicher spannt er den Bogen von den frühen Black Sabbath bis zu aktuellen Bands wie Babymetal und vergisst nicht die innige Liebe der Metal-Fans zum klassischen Rock a la Stones und besonders den Prog-Bands der 70er Jahre wie Pink Floyd, deren Erbe er bis zu Künstlern wie Steven Wilson und Porcupine Tree weiterträgt. Metal endet für ihn nicht an den Genregrenzen von Doublebass und Drop-Tuning.

Eine weitere Beobachtung Rosas ist, dass Metal-Fans ihre Musik regelrecht studieren (und darin den Klassik-Hörern ähneln). Jedes musikalische Versatzstück wird umgedreht, jede Textzeile analysiert, interpretiert und vor allem: es wird darüber geschrieben. Laut Rosa gibt es kein anderes Genre, das – trotz der großen Krisen der Printmagazine – so viele Zeitschriften hervorbringt und immer noch am Leben erhält wie der Heavy Metal. Heavy Metal wird von seinen durchaus konservativen Fans nicht bloß konsumiert und vergessen, sondern eifrig gehört, besprochen, diskutiert und mit Referenzalben verglichen.

Dass es dabei meist nicht um komplizierte Themen geht, leugnet Rosa nicht, er interpretiert Metal ganzheitlich aus der Perspektive seiner Resonanztheorie und lehnt eine systematische Zerlegung in musiktheoretische, literarische oder gar politische Einheiten ab. Vielmehr geht es ihm um die körperliche Erfahrung des Musikhörens, um die Ritualität (in der Musik selbst, aber auch in den religiös anmutenden Ritualen bei Konzerten) und vor allem um das innere Erleben, das Berührtsein, das Aufgewühltwerden, das Gefühl, der Musik entgegengehen zu wollen. Kurz: die Resonanz, die Musik im Menschen auslöst.

When monsters roar and angels sing – eine großartige Hommage an den Metal und seine Hörer. Hartmut Rosa weiß mehr über Metal als ich je wissen werde und hat wahrscheinlich Metalkonzerte auf allen fünf Kontinenten besucht. Da liebt einer seinen Metal – und hat zum Glück ein Buch darüber geschrieben.

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