Eigentlich ist diese Rubrik ja für Musik reserviert und nicht für Literatur, aber nachdem ich Arnos Schmidts Kurzroman „Seelandschaft mit Pocahontas“ gelesen habe, muss ich hier einfach mal meinen Eindrücken freien Lauf lassen.

Wenn Spock’s Beard progressive Musik machen, dann ist „Seelandschaft mit Pocahontas“ das literarische Gegenstück dazu! Unglaublich, wie Arno Schmidt mit Sprache umgeht und dem, was er ausdrücken will, unterordnet. Seine Sprache scheint nahezu barrierefrei. Ist unsereins Gefangener seiner Sprache und beim Schreiben immer auf der Suche nach dem nächsten richtigen Wort, so hat Arno Schmidt die Gabe, sich die Sprache Untertan zu machen und sich von ihren Zwängen zu befreien. Die Worte scheinen ihm zuzufliegen und egal welches ihm zugeflogen kommt, es scheint immer zu passen.

Resultat ist ein zunächst verworren anmutender Text, dessen rhizomartige Verstrickungen sich jedoch auflösen, wenn man denn am Ball bleibt. Genauch wie bei progressiver Musik. Zunächst verworrene Harmonien, krumme Rhythmen. Doch hört man genauer hin, zeigt sich, dass der Musiker Herr der Musik ist und nicht die Musik über den Musiker. Nicht die alten, ewiggleichen plakativen Kadenzen und Töne, sondern neue Formen und Melodien, die andere Wege zu Liebe, Melancholie und Aggression zeigen, sind hier ausschlaggebend.

Arno Schmidts Roman ist nahezu eine einzige Aneinanderreihung von Liebesakten, aber so plastisch und nah, gleichzeitig aber durch die Wortfremdheit dem Betrachter als so distanziert erscheinend, dass nichts anrüchig, billig oder schlüpfrig wirkt. Man wünscht sich fast, mit dem Ich zu tauschen, dringt tief in seine Gefühle ein, möchte fast schreien, wenn es zum Ende kommt.

Tolles Buch, ich bereue es nicht, es nach den ersten anstrengenden Seiten nicht weggelegt zu haben.