Gestern Nacht, während eines Boxkampfes

Schaue mir gerade an, wie Artur Abraham sich anhören muss, dass er nicht genug nachsteige, dass er nicht genug mit der Rechten nachgehe, dass er den Gegner aus Rom nicht gleich in der dritten Runde auf die Bretter schickt, dass er zu defensiv boxe und sich nicht in die Gefahrenzone begebe.

Ja, dass kann man alles bemängeln, wenn man außerhalb des Gevierts weitab von fliegenden Fäusten sitzt. Das kann man sagen, wenn man keine Kämpfe mit doppelt gebrochenem Kiefer durchgestanden hat. Das kann man leichtsinnig behaupten, wenn man noch nie in aller Öffentlichkeit bei einem Super-Six-Turnier verprügelt wurde. Das kann man sagen, wenn man noch nie einem Gegner gegenüberstand, der den Eindruck erweckte, er wolle lieber Langläufer als Boxer sein. Das kann man sagen, wenn Boxen mit Knock Out gleichgesetzt wird. (Und das kommt davon, wenn der Promoter aus Angst um sein Geld Gegner aussucht, die fünf Klassen schlechter sind…)

Gewaltsportart

Boxen kann ziemlich brutal sein und wird dafür in gebildeten Kreisen gerne geächtet. Wer sich als Boxfan outet, erntet gerümpfte Näschen. Mit Fußball hingegen schmückt man sich, kein Uni-Dozent, der nicht „seinen“ Verein hätte, kein Lehrer ohne „seinen“ Verein – nicht mal FC-Bayern-Fans müssen sich schämen. Dabei zeigt die Gewalt ihre Fratze gerade im Fußball, wie man beim Derby Schalke / Dortmund wieder sehen konnte. Da liefern sich gleich Hundertschaften besoffener (oder sind die etwa auch noch nüchtern?) Vollidioten Massenschlägereien, ballern mit Pyrotechnik auf unbeteiligte Menschen und… alles bleibt beim Alten. Man sieht sich dann beim nächsten Derby.
Ich habe noch keinen Boxkampf gesehen, bei dem es zu Massenschlägereien gekommen wäre. Selbst in Russland kann ein Klitschko unbehelligt boxen.