Offener Brief

Liebe Frau Merkel,

ich bin keiner Ihrer Stammwähler, nicht einmal ein Wechselwähler – wahrscheinlich werde ich sogar niemals CDU wählen, es sei denn, ich werde sehr alt und bekomme Alzheimer. Die reine Vernunft gebietet mir, nicht CDU zu wählen. Ich bin quasi so etwas wie ein militanter Nicht-CDU-Wähler. Eher würde ich geröstete Spinnen essen als ihrem kreuzkonservativen Kofferschieber-Verein meine Stimme zu geben. Unter einer Ausnahme.

Verehrte Frau Merkel, Sie haben geschworen, Schaden vom deutschen Volke fernzuhalten, so wahr Ihnen Gott helfe. Also fordere ich Sie hiermit auf, Schaden vom deutschen Volke fernzuhalten und den schlimmsten Ihrer Kofferträger schleunigst wieder zu entlassen. Wen? Na Ihren amoklaufenden Innenminister. Schmeißen Sie den Schäuble wieder raus, das haben Sie doch bei der Bundespräsidentenkandidatur schon so elegant hinbekommen.

Liebe Frau Merkel, wir alle bedauern zutiefst was Herrn Schäuble kurz nach der Wiedervereinigung geschehen ist; sein verbittertes Gesicht und der Rollstuhl sind bleibende Zeugnisse des Attentats. Dennoch dürfen Sie nicht zulassen, dass dieser Mann in seiner Funktion als Innenminister den deutschen Rechtsstaat aushöhlt und mit der Befürwortung fragwürdiger Praktiken peu a peu am ganzen deutschen Volk  Rache nimmt für dieses unselige Attentat. Lassen Sie nicht zu, dass wir alle in Sippenhaft genommen werden für die Tat eines einzigen geisteskranken Straftäters.

Frau Merkel, die Süddeutsche Zeitung hat gestern ein Interview mit ihrem Innenminister veröffentlich, in welchem er um folgende Punkte herumdruckst:

• ob "Informationen" von im Ausland gefolterten Gefangenen hier in Deutschland verwertet werden dürfen
• ob in Deutschland Menschen (besonders Ausländer) dafür weggesperrt werden dürfen, für den Fall dass sie möglicherweise "gefährlich" sein könnten
• warum in Syrien deutsche Ermittler einen dort einsitzenden deutsche Gefangenen verhören und, trotz der dort üblichen Folter, nichts unternehmen, um den Mann herauszuholen, ähnlich wie im Fall Masri

Ferner fordert Ihr Innenminister eine Änderung des Grundgesetzes für den Einsatz der Bundeswehr im Inneren und findet, gemeinsam mit seiner Großmuter, "Gutmütigkeit ist oft nahe bei der Liederlichkeit", als es um das immer noch ungesicherte Aufenthaltsrecht von zehntausenden ausländischen Kindern von Flüchtlingen geht, die seit 20 Jahren in Deutschland leben. Herr Schäuble findet, wenn deren Eltern auch noch bleiben wollen würden, das wäre… aber lesen Sie doch selbst.

Frau Merkel, ich fürchte mich davor, dass in naher Zukunft die gleichen strunzendummen Soldaten durch meine geliebte Stadt marschieren, die ich schon in meiner Wehrdienstzeit kennenlernen durfte. Typen, die beim Freitagstest die erste Strophe vom "Lied der Deutschen" auf den Bogen krickelten, Typen, die es geil fanden in den Kosovo zu fahren, Typen, die ihren Gewehren Frauennamen gaben.

Frau Merkel, wenn Herr Schäuble mit ihrer Legitimation (SIE haben die Weisungsbefugnis) dazu noch die Folter doppelt outsourct, indem er die Amerikaner die Folter anordnen und die Syrer die Folter exekutieren lässt, bekomme ich langsam Angst, dass  auch der Vollzug des nächsten Schritts – die Folter im Heimatland- nicht mehr weit ist. Wenn dazu noch deutsche Staatsangehörige beliebig weggesperrt werden dürfen, führt der Staat einen Präventivkrieg gegen seine eigenen Bürger.

Liebe Frau Merkel, die ersten 100 Tage sind noch nicht um, und schon schwebt Schäubles Damoklesschwert über dem deutschen Rechtsstaat. Entfernen Sie diesen Mann, dann bekommen Sie bei der nächsten Wahl einmal im Leben  meine Stimme. So wahr ich hier blogge.

Mit freundlichen Grüßen,
Ihre besorgter Bürger Hokey