Isch 'abe gar kein Untertitel...

Bielefeld hat einen an der Tüte

Bielefeld ist nicht gerade ein Touristenmagnet und wenn man ehrlich ist, scheint hier am Teutoburger Wald auch niemand ernsthaft in Betracht zu ziehen, dass sich ab und an Gäste nach Bielefeld verirren sollten. Warum auch? Schließlich hält sich ja hartnäckige die Theorie, dass Bielefeld gar nicht existiert.

Dass Bielefeld existiert, wird dem ehrenwerten Gast aber spätestens dann schmerzhaft klar, wenn er an der "Tüte" vorbei oder hindurch muss. Die "Tüte" ist der am Bahnhof gelegene Eingang zur Bielefelder Stadtbahn, die dort ihren Weg unter der Erde nimmt. Wie an allen Bahnhöfen ist die Tüte ein beliebter Platz für Stadtstreicher, Punks und Personengruppen, die Polizei und Stadt ein Dorn im Auge sind. Die müssen da weg, dachte man sich in den oberen Etagen unserer kleinen Stadt und versammelte sich, um Ideen gegen die Asozialen zu sammeln.

Irgendein Schildbildungsbürger ist dann auf die glorreiche Idee gekommen: Lasst uns ein paar miese Lautsprecher aufbauen und permanent  klassische Musik aus diesen dröhnen! Dann wird sich das Pack schon trollen. Gesagt, getan. Für normale Menschen ein Ausbund an bildungsbürgerlicher Arroganz, für die Bielefelder Stadtverwaltung ein probates Mittel. Mozart als Waffe gegen Punks.

Nun verhält es sich so: Die Punks haben mit den Schultern gezuckt, sind immer noch anwesend und lediglichg ein paar Meter aufgerückt. Und zwar weil der Lärm, den die Stadtverwaltung über die lumpigen Lautsprecher tösen lässt, derart unerträglich ist, dass selbst der hartgesottenste Trash-Metal-Fan das Knieschlottern bekommen muss, wenn er die Rolltreppe zum Bahnhof hinauffährt!

Was für ein Scheißtape hat man denn da eingelegt? Welche Flachpfeife durfte im Auftrag der Stadtverwaltung die Harmonien etablierter Komponisten so erbärmlich vergackeiern? Hey, schon mal was von Dynamik gehört? Und die Lautstärke ist – man höre und staune – nicht nur für Punks unerträglich! Ob die Nasen der Stadtverwaltung vielleicht einmal daran gedacht haben, dass täglich hunderte arme Menschen durch dieses Nadelöhr müssen, weil sie zur Arbeit, zur Schule oder einkaufen wollen? Schon mal daran gedacht, dass akademische Gäste der Hochschule per Bahn anrücken? Was die wohl für ein Bild von Bielefeld bekommen, wenn da trashige Klassik aus den Boxen dröhnt. Die wissen nämlich nicht, wogegen das wirken soll, die werden sich anderes denken.

Aber an so etwas denkt man in der Bielefelder Stadtverwaltung nicht, wenn man nur den Feind vor Augen hat und sich auf den erhabenen Schwingen der Hochbildung wähnt, mit deren Waffen man das asoziale Pack von der Straße treiben kann. Also: Nix Verschwörung. Bielefelder haben entweder schwer einen das Tüte oder (bald) einen Gehörschaden.

2 Kommentare

  1. Herm

    als ich zum ersten mal von den plänen darüber gehört habe dachte ich mir es wäre wieder nur so ein hirngespinnst was durchgesickert aber eh nie was wird weil es so abwegig ist. aber seitdem da jeden tag beethoven läuft, frag ich mich jedes mal wieder wie man soetwas nur ernst meinen kann …

  2. Hokey

    Ich habe auch gedacht, den Vorschlag hätte jemand im Scherz gemacht und die Presse hätte davon Wind bekommen. Ich konnte das gar nicht fassen, als ich das erste Mal seit längerem wieder am Bahnhof ausgestiegen bin.

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