Mein kleiner Finger nimmt langsam wieder das alte Format an, er ist schon nun nur noch etwa so dick wie der Ringfinger und der Ring geht auch fast drüber. Farbe: fleischfarben. Lese wie zum Ausgleich ausgerechnet Wolf Wondratscheks „Im Dickicht der Fäuste“ und erfreue mich der schnörkellos erzählten Reportagen, die den boxinteressierten Leser hart und präzise am Kinn treffen. Mir gefällt diese Haltung Wondratscheks, gegen die moralisierende Bildungsgesellschaft anzuschreiben, die jederzeit bereit ist, ihre hinterhältigen Ellebogen auszuprobieren, dem offen ausgetragenen Boxkampf aber mit gerümpfter Nase gegenübersteht. Obwohl das in den 80er-Jahren offensichtlich noch ausgeprägter gewesen sein muss, mit so viel Abscheu speit Wondratschek vor den feinsinnigen Intellektuellen aus, so sehr kokettiert er damit, keiner von ihnen zu sein, sondern – ganz Barbar – bei Gelegenheit auch selber die Fäuste sprechen zu lassen.  Von boxenden Schriftstellern bekommt man zu lesen, Hemingway natürlich, Oscar Wilde, Picasso und die Documenta IX werden erwähnt, Woody Allen und auch Heine fehlen nicht – letzterer jedoch nur als Zitatgeber, um der intellektuellen Leserschaft einen trockenen Haken auf die Hirnrinde zu verpassen. Lehrreich die Episode über den Rassismus im Boxen um 1900, das wütend-ungläubige Aufbegehren der Weißen gegen einen schwarzen Champion, den man letztlich nicht im Ring, sondern nebenher kaltstellte.

Bin noch nicht durch, freue mich aber auf die Artikel zu Henry Maske – besonders, weil die Artikel nicht aktuell sind, sondern teils aus den 80er, teils aus den 90ern, teils aus den 2000ern stammmen. Ich kenne ja meist schon das Ende und es ist spannend zu beobachten, wie Wondratschek 1992 den jungen Axel Schulz einschätzt, der, nachdem er um seinen Titel betrogen war, kein Bein mehr an den Boden bekommen hat. Leseempfehlung für jeden, den das Boxen interessiert.