Hokey präsentiert bescheidene Zeichenerfolge, strunzt mal wieder über den mangelhaften Kunstunterricht und macht mit seinen Lesern ein Experiment.

 


Vor einiger Zeit habe ich angefangen, mich mit dem Zeichnen zu beschäftigen. Mittlerweile geht es ganz gut voran, zwar ist das Niveau noch äußerst bescheiden, aber dafür, dass ich mich jahrzehntelang für einen untalentierten, künstlerisch minderbemittelten Volldeppen gehalten habe, dem irgendwo einfach das Künstlergen ausgeknipst worden ist, bin ich bisher ganz zufrieden.

Jeder kann Zeichnen lernen
Wie ich schon vermutet hatte, kann man Zeichnen tatsächlich lernen und es gibt kein großes Geheimnis dabei. Etwas aus dem Kopf zu zeichnen, ist unverhältnismäßig schwieriger als etwas abzuzeichnen, was mir ja hier schon recht gut gelungen ist. Daher ist meine aktuelle frei gestaltete Skizze auch weit entfernt von Perfektion oder etwas, das man nur ansatzweise Realismus nennen könnte, aber sie ist weitaus besser als alles, was ich vor meinem Lernprozess je gezeichnet habe:

Klick mich groß.

Nun, die Kritik vorab: der Mund ist nicht symmetrisch, das linke Ohr zu klein, die Zeichnung insgesamt sehr rudimentär, das Kinn eirig. Schattierungen sind so gut wie nicht vorhanden, wodurch Tiefe fehlt. Was dem Laien – ich nenne es mal so, immer im Klaren darüber, dass ich selber dieses Stadium kaum verlassen habe – aber nicht auffällt, sind die Dinge, die doch passen, die aber kaum auffallen und von jedem Laien falsch gemacht werden, und welche man einfach lernen kann.

So beträgt der Abstand zwischen beiden Augen etwa eine Augenbreite, die Augenlinie markiert etwa die Mitte des Kopfes, die Länge des rechten Ohres ist zwischen oberem Auge und Nase (fast) gut getroffen, der Abstand zwischen Augen, Nase und Mund entspricht den typischen Proportionen und der Hals ist nicht zu dünn, sondern liegt etwa auf Augenbreite.

Für jedes Körperteil gelten bestimmte Proportionen im Verhältnis zu anderen Körperteilen, die jedermann leicht lernen kann, auch wenn er mutmaßlich frei von Talent ist oder im Kunst“unterricht” nur Stümperhaftes abgeliefert hat. Das Ergebnis einer Zeichnung mit diesem Wissen, wird in jedem Fall besser sein, als eines ohne. Denn das führt meist zu einem dieser typischen flachköpfigen Portraits mit zu kleinen Ohren, gestauchter Nase und entweder zu eng oder zu weit bei- bzw. auseinanderliegenden Ohren mit drangepapptem, dürrem Giraffenhals.

 

Aber wieso erzählt keiner der großen Vorkünstler in der Schule den Schülern, dass man sich die Proportionen sachte mit einem harten Bleistift markieren und später wieder wegradieren kann? Wieso bekommt man geradezu überhaupt nix über Proportionen beigebracht? Dabei könnte man Schüler insbesondere Körperproportionen leicht auf spielerische Weise herausfinden lassen, denn die unterscheiden sich von Mensch zu Mensch viel weniger als man gemeinhin glaubt. Wir machen ein Experiment.

Experiment
Messen Sie doch mal bitte mit einem Instrument Ihrer Wahl (Bleistift, Maßband, Lineal, Zollstock, etc.) grob den Abstand (Luftlinie) zwischen Kinnspitze und Auge. Merken. Und nun den Abstand zwischen Auge und Ohrmitte. Na? Was gemerkt? Weiter: Markieren Sie mit Daumen- und Zeigefinger die Breite des Freiraums zwischen ihren beiden Augen. Nun setzen Sie Ihre so justierten Finger mal auf eines ihrer Augen! Oha? Merken Sie’s? Noch verblüffender, weil kaum jemand damit rechnet: Legen Sie doch mal eine Hand oben an ihren Kopf, während die andere am Kinn platziert wird. Nun führen Sie die Hände mit gleicher Geschwindigkeit zusammen. Verblüffend, wo die sich treffen, oder? Aber es stimmt: Die Augen liegen nicht im oberen Kopfdrittel, sondern in der Mitte. Messen Sie nach, wenn Sie’s nicht glauben können.

Es gibt viele kleine Tricks, wie man sich Proportionen merken (bzw. lernen) und sich so das Leben als Laienzeichner leichter machen kann. Natürlich wird man damit alleine kein Caravaggio, aber man kann sich das Leben schon um einiges leichter machen.